New York im Kaleidoskop

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28 Staten Island

Inselgeschichte

Staten Island, der südlichste borough of New York, ist eine große Insel, die durch den Kill Van Kull, eine sechs Meilen lange Meerenge, von Manhattan getrennt ist. Der Kill Arthur (ein schmaler Meeresarm an der Küste von New Jersey) ist ihre westliche Begrenzung, während The Narrows die östliche und die Lower Bay die südliche darstellen. Staten Island teilte von Anfang an die Geschicke New Yorks, Giovanni da Verrazzano ankerte bei seiner Entdeckung New Yorks in der Meerenge The Narrows, zur holländischen Zeit gehörte es der Regierung der Niederlande, die es vom Gouverneur von Nieuw Nederland mitregieren ließ (der Name Staten Island leitet sich ab von staaten general = Regierung der Niederlande) und die Engländer verleibten es sich bei ihrer Usurpation des niederländischen Besitzes gleichfalls ein. Allerdings bekam es von ihnen einen neuen Namen, nach dem Duke of Richmond. Als County Richmond des Bundesstaats New York blieb es bis heute bei seinem englischen Namen, während es als Borough of New York auf den holländischen Namen Staten Island zurückgriff.

Bereits unter den Niederländern war es zu Auseinandersetzungen mit der indigenen Bevölkerung gekommen, denen der Begriff „Grundeigentum“ fremd war. Was nach Auffassung der Niederländer „Kauf von Grund und Boden“ darstellte, war für die Indianer ein gemeinsames Nutzungsrecht. Somit waren Konflikte vorprogrammiert. Die frei herumlaufenden Schweine der Siedler verwüsteten die Felder der Indianer ohne dass Schadenersatz geleistet wurde und im Zuge des für Indianer sowieso unveräußerlichen Jagdrechts schossen sich diese gelegentlich mal eines. Wie schon beim „Pfirsichkrieg“ auf Manhattan sorgte solch ein – eigentlich banaler – Anlass für blutige Auseinandersetzungen, die analog zu den Ereignissen auf Manhattan den Namen „Schweinekrieg“ erhielten. Willem Kieft griff 1640 als neu eingesetzter Gouverneur von Nieuw Nederland hart durch und setzte nach ersten blutigen Auseinandersetzungen ein veritables Kopfgeld auf die Raritan-Indianer auf Staten Island aus. Wie viele Köpfe tatsächlich geliefert wurden, bleibt unklar, sicher war jedoch, dass alle Indianer die Insel verließen.

Nach Gründung der Vereinigten Staaten verharrte die agrarisch genutzte Insel wegen ihrer Abgeschiedenheit noch lange im Dornröschenschlaf, bis allmählich ein Aufschwung einsetzte. Die Siedlung Coccles Town (benannt nach den hier massenhaft gefundenen Austernschalen) wurde im frühen 18. Jahrhundert zu Richmondtown, mit dem Gerichtsgebäude von Richmond County quasi die Inselhauptstadt. Die Menschen, die hier lebten, waren meist niederländischer, englischer oder hugenottischer Abstammung und die häufigsten Berufe waren Schmied, Schuhmacher und andere aus dem handwerklichen Bereich. Das industrielle Wachstum New Yorks brachte ab 1850 weitere Handwerkszweige und auch zunehmend Arbeiter auf der Suche nach preiswertem Wohnraum nach Staten Island, das 1898 zum (bevölkerungsmäßig kleinsten) Borough of New York City wurde.

Die Staten Island Railway (SIR) durchzog von nun an die Insel von Nordosten nach Südwesten und die kostenlose Staten Island Ferry verband sie an der Station St. George mit Manhattan. Die traditionellen Arbeitsplätze in Manhattan und Brooklyn waren aber trotzdem nur mühselig zu erreichen, weshalb sich vorwiegend die ärmeren Schichten hier ansiedelten und somit erklärt sich der jetzt besonders hohe Anteil von Iren und Italienern. Die traditionelle kleinteilige Bebauung der Insel begann zu verschwinden, was dazu führte, dass unweit von Richmondtown das Freilichtmuseum Historic Richmond Town gegründet wurde um die Erinnerung an das historische Staten Island zu bewahren.

Historic Richmond Town

Die Realisierung des Museums ging von Inselbewohnern aus, angeführt von lokalen Historikern und Denkmalpflegern. Sie wollten in einer Ära der rasanten Entwicklung und Zersiedelung Zeugnisse für die reiche Geschichte ihrer Insel zusammentragen und sie an einem möglichst authentischen Ort ausstellen. Historic Richmond Town wurde 1958 gegründet und ist ein gemeinsames Projekt der Staten Island Historical Society, einer unabhängigen gemeinnützigen Kulturorganisation und der Stadt New York, die Eigentümerin des Grundstücks und der Gebäude ist und einen Teil der Aktivitäten mit öffentlichen Mitteln unterstützt. Das Gelände erstreckt sich über 100.000 m2 mit 15 restaurierten Gebäuden aus dem späten 17. bis frühen 20. Jh., die teilweise hierher versetzt wurden und bietet die Möglichkeit, den Lebensstil einer 300 Jahre alten Gemeinde kennenzulernen. Das Voorleezer’s House von 1696 ist das älteste Schulhaus der gesamten USA. Außerhalb des Museumsgeländes befindliche Institutionen wie St. Andrew’s Episcopal und St. Patrick’s Church (eine dritte, die reformierte niederländische Kirche von Richmond, wurde leider abgerissen) sowie Mount Richmond Cemetery, der jetzt von der Hebrew Free Burial Association betriebene Friedhof, tragen ebenfalls zum Zweck des Museums bei.

Historic Richmond Town will den Besuchern ein Gefühl dafür vermitteln, wie man in den vergangenen Jahrhunderten auf Staten Island lebte. Wie in vielen anderen Museen für „lebendige Geschichte“ auch, veranstaltet man deshalb Vorführungen historischen Handwerks und Darstellungen des Alltagslebens durch kostümierte Museumsmitarbeiter. Besucher können an einer Führung durch verschiedene Häuser teilnehmen, die vollständig möbliert sind und eine bestimmte Zeit repräsentieren (period rooms). In Läden von damals kann man Produkte jener Zeit kaufen. Neben den historischen Häusern im Museumsdorf gibt es auf Staten Island noch ein weiteres, das zu den ältesten im Gebiet von NYC gehört: In Tottenville das Conference House, ein Steinbau von 1680.

Das Verschwinden der Mandolin Brothers

Mein Bezugspunkt zu Staten Island war 30 Jahre lang die Musikalienhandlung Mandolin Brothers. Die folk music revival der 60er und 70er Jahre erzeugte einen riesigen Bedarf an Saiteninstrumenten wie Banjos, Akustikgitarren und Mandolinen. Stan Jay erkannte als einer der ersten, dass solche Instrumente von hervorragender Qualität vom Anfang des 20. Jh. bis zum Zweiten Weltkrieg in den USA in großen Stückzahlen hergestellt wurden, ehe die Schallplatte, das Fernsehen und elektrifizierte Musikinstrumente das volkstümliche Musizieren stark reduziert hatten. Jay ging davon aus, dass sich viele dieser Instrumente erhalten hatten (entweder noch in Gebrauch oder auf Dachböden quasi eingemottet) und beschloss einen Gebrauchthandel mit vintage instruments aufzubauen. (Der Begriff vintage wird in den schnelllebigen USA gern benutzt um älteren, gebrauchten Gegenständen die Aura des Besonderen zu verleihen). Stan Jays Geschäftskonzept funktionierte u.a. deshalb so gut, weil er einen Stamm von Mitarbeitern (vorwiegend Musikern) unterhielt, die dieses Metier ebenfalls liebten und sich auf Spezialgebiete konzentrierten.

Meine Frau unternahm die jährliche New-York-Reise schon lange vor mir und deshalb beauftragte ich sie in den 80er Jahren, mir eine Vintage Mandoline der legendären Firma Gibson aus NY mitzubringen. Sie zierte sich anfangs lange, denn erstens spielte sie kein Saiteninstrument und zweitens verachtete sie den „zirpigen“ Klang des Instruments. Aber schließlich nutzte sie die Angelegenheit zu einem Ausflug mit der Schwiegertochter nach Staten Island und begab sich zu Mandolin Brothers. Forest Avenue, der Standort des Ladens, war doch weiter vom Landepunkt der Fähre entfernt, als sich die beiden vorgestellt hatten, aber schließlich erreichten sie ihn doch zu Fuß. Wie findet man nun ein gutes Instrument, wenn man es nicht spielen kann und von dem man nicht weiß, wie es klingen soll? Schnell stellte sich einer der genannten Experten ein, der sich nicht zu schade war, die simpelsten Grundlagen des Mandolinenbaus zu erklären und jedes in Frage kommende Instrument ausgiebig vorzuspielen. Als meine Frau sich dann für eines entschied, kommentierte er mit perfekter Höflichkeit, dass genau dieses Instrument er sich ebenfalls ausgesucht hätte. Damit war ein passendes Instrument zwar gekauft, aber noch nicht in Europa. Die Regeln des amerikanischen Antiquitätenhandels verbieten die unkontrollierte Ausfuhr antiquarischer Gegenstände. Wie würde das Urteil der Kontrollbehörde für ein fast hundertjähriges Instrument ausfallen? Der Experte hatte einen Rat: „Nehmen Sie das Instrument mit ins Handgepäck und deklarieren es als das von Ihnen aktuell gespielte“. Damit hatte er Renate den Rückflug gründlich vermasselt. Wie aufgetragen trug sie das Instrument bei der Zollkontrolle bei sich, voller Angst, der Zollbeamte könnte nach Öffnen des Koffers verlangen, ein paar Takte vorzuspielen. Dennoch erreichte die Mandoline ihren Bestimmungsort und ich blieb mit Mandolin Brothers in Kontakt, kaufte telefonisch weitere Instrumente und schwor, sollte ich endlich mal in New York sein, Renates Ausflug zu wiederholen.

Darüber verging viel Zeit, in der sich im traditionellen Musikalienhandel vieles änderte. Das Internet und der zunehmende Versandhandel machte Mandolin Brothers schwer zu schaffen. Stan Jay versuchte sich anzupassen, indem auch er das Geschäft digitalisierte und eine Internet-Repräsentation aufbaute. Dem Charme des Ladens auf Staten Island war das abträglich. Wozu sollte man noch die lange Fahrt ins Innere der Insel unternehmen, wenn das wunderbare Fachpersonal schrittweise abgebaut wurde und man mitbekam, dass Mandolin Brothers mit einem kostenpflichtig zu abonnierenden Newsletter und einem kompletten Internetangebot neuer Musikinstrumente genau den gleichen Weg ging wie die Konkurrenz? Aus diesen Gründen schob ich den Besuch von Staten Island immer wieder auf, bis es schließlich zu spät war. Mit Jays unerwartetem Tod 2015 starb auch Mandolin Brothers noch im selben Jahr, weil die Person, die diesen einzigartigen Laden fast 45 Jahre zusammen gehalten hatte, unersetzlich war. Sein langjähriger Konkurrent Gruhn Guitars in Nashville, der ihm früher nicht das Wasser reichen konnte, hat mit einem ähnlichen Konzept wie Jay in seinen letzten Jahren bisher noch überlebt. Doch – wie lange noch?

Meucci erfindet, andere kassieren

Wie wir bereits gesehen haben, ist Little Italy in Manhattan nur noch eine Touristenattraktion und die italienischen Immigranten haben sich mittlerweile über alle Boroughs of New York City verteilt. Aber auf Staten Island ist ihr Anteil am höchsten, denn hier hatten sich moderate Immobilienpreise am längsten gehalten. Es entsprach dem italienischen Lebensgefühl viel besser, mit der Großfamilie zusammen in einem Haus im Grünen zu wohnen als eng zusammengepfercht in einem Viertel wie Little Italy. Deshalb strebten sie mit aller Macht danach, sobald sie beruflich in New York Fuß gefasst hatten, die Elendsquartiere zu verlassen und im eigenen Heim mit mehreren Generationen ihrer Familie zusammen zu leben.

Antonio Meucci (*1808 1889), den ich bereits im Kapitel über Garibaldi erwähnt habe, ist ein gutes Beispiel für die nach Höherem strebenden italienischen Einwanderer. Geboren in Florenz, war er ein ausgesprochener Tüftler und Erfinder, der seine technischen Fähigkeiten zuerst im Bereich der Bühnentechnik entwickelte. Er begann seine Tätigkeit an einem Theater, wo er zur Verbesserung der Kommunikation auf der Bühne ein akustisches Schlauchtelefon erfand, das die verschiedenen Bereiche miteinander verband. Seine zunehmende Wohlhabenheit nutzte er zur Unterstützung der Einigung Italiens, dem Risorgimento. Nach dessen Scheitern und drohenden Vergeltungsmaßnahmen des restaurativen Regimes emigrierte er nach Kuba und arbeitete in Havanna erneut als leitender Bühnentechniker. Weiterhin widmete er sich jedoch seinen Erfindungen, unter anderem einem chemischen Verfahren zur Verarbeitung von Abwässern. Mit einem Galvanisierungsbetrieb, der vorwiegend für das Militär arbeitete, verdiente er sich ein Vermögen, mit dem er auch Garibaldis Revolution in Italien unterstützte. Doch nach dem Auslaufen seines Vertrages mit der kubanischen Armee sah er in Kuba keine Chancen mehr für sich und siedelte 1850 nach New York über um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Mit dem noch vebliebenen Vermögen kaufte er ein Haus auf Staten Island, in das er mit seiner 14-köpfigen Familie zog. Er hatte eine Vielzahl von Geschäftsideen, die er mit Hilfe seines neu gewonnenen Freundes Giuseppe Garibaldi, der nach dem Scheitern des Umsturzes in Italien ebenfalls nach Amerika emigriert war, verwirklichen wollte. Deshalb lud er ihn in sein Haus ein, wo sie gemeinsam eine Salamifabrik eröffneten. Diese Art des Broterwerbs war dem Berufsrevolutionär jedoch zuwider und trotz Meuccis Wechsel von der Salami- in die Stearinkerzenbranche nutzte er die Gelegenheit des erneuten Umbruchs in Italien zur Rückkehr nach Europa.

Meucci jedoch blieb bis zu seinem Lebensende in New York, unablässig mit der Entwicklung neuer Ideen und Erfindungen beschäftigt. So stellte er als erster das Rohmaterial für die Kerzenproduktion von Stearin auf Paraffin um – das große Geld mit der Massenproduktion machten jedoch andere. Seine Frau war durch eine Rheumaerkrankung bettlägerig geworden, deshalb verwandte er viel Zeit darauf, einen Apparat zu konstruieren, mit dessen Hilfe er während der Arbeit mit ihr kommunizieren konnte. Nach einer ersten öffentlichen Vorführung des „Telektrophones“ nahm er Kontakt zur Western Union Telegraph Company auf, der er seine Unterlagen zur Ansicht übersandte und betrieb 1871 gleichzeitig die Anmeldung der neuen Erfindung zum Patent, was jedoch an fehlenden Geldmitteln scheiterte. Als er von Western Union seine Unterlagen wieder zurückforderte, wurde ihm beschieden, sie seien „verloren gegangen“! Drei Jahre später, 1876, meldete erstaunlicherweise ein Mitarbeiter ebendieser Firma, Alexander Graham Bell, ein Patent für einen Fernsprecher an. Meucci klagte dagegen, konnte aber weder das Patent, noch eine finanzielle Entschädigung dafür erlangen und starb als armer Mann 1889 in New York.

Obwohl nicht mehr am originalen Standort stehend, ist Meuccis Heim, ein Holzhaus von 1840 im Stil des Klassizismus in der Tomkins Avenue bis heute erhalten geblieben. Schon 1884 hatte man, noch in Anwesenheit von Meucci, eine Garibaldi-Plakette daran angebracht und 1907 war es – zu Garibaldis hundertstem Geburtstag – umgesetzt und zum Garibaldi-Memorial befördert worden. Inzwischen wurde es von der Stiftung „National Order of the Sons of Italy“ übernommen und dient heute als Garibaldi-Meucci Museum, das italienisch-amerikanisches Kulturerbe sowie die Lebensläufe des Revolutionärs und des Erfinders zelebriert.

Die größte Müllkippe der Welt

Mehr als andere Boroughs hat Staten Island mit Verkehrs- und Umweltproblemen zu kämpfen. Wohl wegen der vergleichsweise geringen Einwohnerzahl (476 000) wurde weder eine Subway-Verbindung mit den anderen Boroughs geschaffen, noch existieren ausreichende Straßenverbindungen und nur drei Brücken verbinden es mit New Jersey und eine mit Brooklyn. Letztere ist die Verrazzano-Narrows Bridge, die längste Hängebrücke New Yorks und der USA. Es dauerte übrigens 58 Jahre, bis der Schreibfehler im Namen des Seefahrers (nur ein z) auf den offiziellen Schildern endlich korrigiert wird, allerdings auch nur schrittweise, im Rahmen des routinemäßigen Austauschs. Viele Brücken sind mautpflichtig und nur die Staten Island Ferry nach Manhattan kostenlos. Das hat dazu geführt, dass die Inselbewohner gern unter sich bleiben und sich gar nicht als echte New Yorker fühlen, es soll Einwohner geben, die (so paradox es klingt) noch nie in NYC waren.

Die Einfahrt von der Upper Bay in den neuen Containerhafen von Newark, der Kill Van Kull ist, obwohl nur sechs Meilen lang, eine der meist befahrenen Wasserstraßen der Welt und somit schon erheblich umweltbelastet. Und auch vom Lande aus trug die hier ansässige Industrie, die 150 Jahre lang ihre Abwässer ungeklärt in den Kill Van Kull und den südlich anschließenden Kill Arthur (die Meerenge zwischen New Jersey und Staten Island) einleiten durfte, erheblich zur Umweltbelastung der Insel bei. Die schon seit längerer Zeit laufenden Umweltschutzmaßnahmen greifen nur langsam, weil der bereits angerichtete Schaden so groß ist.

Das größte Problem von Staten Island ist jedoch Fresh Kills, die größte Müllkippe der Welt. („Kill“ kommt übrigens aus dem Niederländischen und bedeutet „Flussbett“). Sie liegt auf einem 12 km2 großen Areal (über 10% der Inselfläche!) zwischen zwei Flüssen, die in den Arthur Kill münden. 1948 eröffnet, gehörte sie zu den großen Stadtentwicklungsprojekten des Stadtplaners Robert Moses, dessen Ideologie und Arbeitsweise bereits ausführlich im Kapitel „New York am Meer“ dargestellt wurden. Hier war sein Plan, das sumpfige Gelände für einige Jahre mit Bauschutt und Müll aufzufüllen (Fresh Kills Landfill) um es anschließend als Baugrund zu nutzen, da Staten Island als New Yorks größte Baulandreserve galt. Aus den vorgesehenen fünf Jahren wurden mehr und mehr, da Mülldeponien im Stadtgebiet aufgrund von Umweltproblemen zunehmend geschlossen wurden und nirgends die Bereitschaft vorhanden war, eine neue zu eröffnen oder alternative Methoden der Müllentsorgung in Betracht zu ziehen. Von 1974 bis 1989 stieg der Anteil von Fresh Kills am Gesamtaufkommen des New Yorker Mülls von 50 auf 94 % und ab 1991 war es die einzige verbliebene Deponie der Stadt.

Die immer näher rückende städtische Bebauung gegenüber ständig zunehmender Umweltverschmutzung durch Sickerwasser und Deponiegas brachten Fresh Kills schließlich in die Kritik der Öffentlichkeit. Zwar hatte schon vorher die Verschmutzung des Arthur Kill durch über Bord gegangenen Abfall von den Müllschiffen Unmut erregt, doch erst als 1987 die Strände von New Jersey durch Chemieabfälle verunreinigt, angeblich gebrauchte Spritzen aus Fresh Kills angeschwemmt und die Vorfälle in Billy Joels Welthit „We Didn‘t Start the Fire“ zitiert wurden, passierte etwas. Man legte Teile der Deponie still und verfügte die endgültige Schließung bis 2001, wobei der weiterhin anfallende Müll in andere Bundesstaaten exportiert werden sollte. Die New Yorker Abfallgebühren erhöhten sich dadurch um 50%! Wie wenig aus solchem mangelhaften Management gelernt wird, zeigte sich 2011 beim Müllskandal in Neapel, wo sich das alles wiederholte.

Der Schließungstermin von Fresh Kills verzögerte sich wegen der Ereignisse von 9/11 nochmals, weil der Trümmerschutt von Ground Zero hier entsorgt wurde. Makabrer Weise durchsuchte man ihn auf dem Gelände der Deponie nach den sterblichen Überresten der Opfer. Seitdem tut sich aber Positives: Das Areal soll durch fünf miteinander verbundene Parks renaturiert werden, die eine Gesamtfläche von 9 km2 einnehmen und zusammen die etwa zweieinhalbfache Größe des Central Parks einnehmen. Das weiterhin austretende Deponiegas wird gesammelt und zur Energiegewinnung verwendet, bis aber alle vom Menschen verursachten Schäden wieder gut gemacht sind, wird es noch einige Zeit dauern, der angekündigte Eröffnungstermin wurde gerade wieder verschoben.

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