Nordirlandkonflikt

Englische Besiedlung um 1200

Schon in anglonormannischer Zeit begannen die englischen Barone die eroberten Gebiete in Irland neu zu besiedeln. So wurden Kolonisten aus Wales und England (aber auch aus Schottland und Flandern) angeworben. Sie kamen aus Regionen mit einem überproportionalen  Bevölkerungswachstum, das insbesondere jüngere Söhne ohne Erbschaftsanspruch zur Auswanderung ermunterte. Die Gewährung von Freiheiten und Rechten für Kolonisten und die Chance, binnen kurzer Zeit zu Wohlstand zu kommen, waren die Gründe für ihre Migration.  Sie siedelten sich überwiegend im Nordosten der Insel an.

Ulster Plantation

400 Jahre später erfolgte  die Ulster Plantation, die organisierte Kolonialisierung Nordirlands durch die Briten. Die Ansiedlung begann, privat finanziert, schon 1606, wurde dann aber von der englischen Regierung unter König Jakob I. organisiert. Der Zweck war die Kontrolle, Anglisierung und „Zivilisierung“ Nordirlands. 

Das Land hierfür wurde in der Regel vom irischen Adel konfisziert. Viele Mitglieder dieses Standes, insbesondere die Führer der Clans O’Neill und O’Donnell, waren nach dem Neunjährigen Krieg auf den Kontinent geflohen. Auf rund 2000 km² landwirtschaftlich nutzbarem Boden ließen sich nun Siedler aus Nordengland und Südschottland nieder. 

Bis dahin war das ländlich geprägte Ulster fast vollständig gälischsprachig und katholisch gewesen, von hier ging der größte Widerstand gegen die englische Herrschaft aus. Deshalb sollten die Siedler englischsprachig, protestantisch und dem König gegenüber loyal sein. 

Im restlichen Irland bestand die Gruppe der anglo-irischen Protestanten nur aus der kleinen Schicht der Großgrundbesitzer, aber in Ulster existierte von nun an eine große Anzahl von englisch-protestantischen Bewohnern, die von der irisch-katholischen Bevölkerung als Eindringlinge angesehen wurden. Der heutige Nordirlandkonflikt resultiert aus der Ulster Plantation. In erster Linie ging es dabei nicht um einen Konflikt zwischen zwei Religionen sondern um die unüberbrückbaren Gegensätze zweier Ethnien, der privilegierten Engländer und der unterdrückten Iren.

Die Schlacht am Boyne

Als der englische König Jakob II. zum Katholizismus konvertierte, wurde er von seinem Schwiegersohn Wilhelm III. von Oranien für abgesetzt erklärt. Durch die Glorious Revolution gelangte Wilhelm III. 1689 selbst auf den englischen Thron und verschaffte dem Protestantismus wieder die Vorherrschaft. Der vertriebene König versuchte inzwischen mit französischer und irischer Hilfe den englischen und schottischen Thron zurückzuerobern. Mit einer vorwiegend niederländisch-französischen Armee landete er in Irland, unterstützt von der dortigen katholischen Bevölkerungsmehrheit. Wilhelm hatte dagegen vor, Irland erneut der englischen Krone zu unterwerfen. Am Fluss Boyne trafen die beiden Heere aufeinander, Wilhelm siegte und Jakob II. floh endgültig ins französische Exil.

Auswirkungen der Schlacht am Boyne 

Der Sieg am Boyne stärkte die Position der Protestanten in Ulster und im ganzen Lande, während die Katholiken ihre Niederlage im Vertrag von Limerick einräumen mussten. Sie erhielten die Freiheit, mit ihren Truppen nach Frankreich zu emigrieren, worauf viele tausend irische Soldaten das Land verließen. Sie nannten sich „Wild Geese“ und stellten sich in den Dienst katholischer Herrscher Europas. Fortan beherrschte die englische Aristokratie ganz Irland und Protestanten lösten die bisherigen katholischen Landbesitzer ab. 

Die Abhängigkeit der irischen Pächter von den englischen Landbesitzern sowie gezielte Handelsverbote für irische Waren machten das katholische Irland bald zu einem rückständigen Armenhaus mit wiederholten Hungersnöten, eine Entwicklung von der Nordirland mit seiner ganz anderen Bevölkerungsstruktur verschont blieb. Von nun an widersetzten sich die protestantischen Nordiren allen irischen Freiheitsbestrebungen, weil sie fürchteten, von einer privilegierten Mehrheit in Ulster zu einer diskriminierten Minderheit in einem katholischen Irland zu werden.

Nordirland gegen die Unabhängigkeit

Eine Etappe auf dem Weg zur Unabhängigkeit Irlands war die Home-Rule-Bewegung, die eine irische Selbstverwaltung forderte; selbst der britische Premier Gladstone setzte sich dafür ein. Letztlich scheiterte sie aber im englischen Oberhaus, in dem viele Adlige mit Grundbesitz in Irland saßen. Das wiederum stärkte die radikal-nationalistischen Kräfte in Irland, die 1900 die Katholikenorganisation Sinn Féin („Wir selbst“) gründeten, die bis heute die volle Souveränität ganz Irlands anstrebt.

Die Protestanten in Ulster wehrten sich vehement gegen die Home-Rule-Bill und 1912 unterzeichneten fast eine halbe Million Nordiren eine Petition dagegen und forderten stattdessen eine Union mit England. Als das Gesetz 1914 trotzdem erlassen wurde, drohte Irland ein Bürgerkrieg, doch schob London wegen des Ersten Weltkriegs die Umsetzung der Home-Rule-Bill auf. 

Unabhängigkeit 

Das Scheitern des Osteraufstands konnte die irische Unabhängigkeit nicht verhindern und nach dem ersten Weltkrieg gewährte England endlich die Gründung des Freistaats Irland. Es bestand allerdings auf dem Verbleib des Landes im British Commonwealth und forderte für künftige irische Parlamentarier  einen „Treueeid“ gegenüber der britischen Krone. Obendrein sollten die überwiegend protestantischen Grafschaften von Ulster im Norden auf eigenem Wunsch bei England verbleiben. Das Problem für den neuen Staat war die katholische Minderheit im protestantischen Nordirland. Jede Initiative zur Verbesserung ihrer Lage musste Konflikte mit Nordirland und England heraufbeschwören.

Nach zwei Änderungen der Staatsform im Freistaat Irland wurde 1949 die Republik Irland ausgerufen. Noch im selben Jahr verließ das Land das englische Commonwealth of Nations. Der irische Premier Sean Lemass versicherte aber, dass Nordirland und die Republik nur mit Zustimmung beider Seiten wiedervereinigt werden sollten. 1955 wurde Irland Mitglied der UN.

Nordirland – der ewige Konflikt

Trotz alledem führte die Entstehung einer friedlichen katholischen Bürgerrechtbewegung in Nordirland 1968 zu Spannungen und schließlich zu Unruhen zwischen Katholiken und Protestanten. Eskaliert wurden sie ab 1969 durch massive Eingriffe der englischen Armee. Während des „Blutigen Sonntags“ am 30. Januar 1972 erschossen britische Fallschirmjäger 13 unbewaffnete Demonstranten.

Die Irisch-Republikanische Armee (IRA) verübte seitdem Anschläge und Bombenattacken auf protestantische Ziele, ohne aber die Mehrheit der nordirischen Katholiken hinter sich zu bekommen. Auf protestantischer Seite predigte der Presbyterianer-Pfarrer Ian Paisley seinen Hass auf alles Katholische und protestantische Unionisten terrorisierten die katholische Zivilbevölkerung. Allein 1972 kamen 467 Menschen ums Leben, davon 321 Zivilisten. Im Laufe der 1980er- und 1990er-Jahre wurde der Terror auch nach England exportiert.

Frieden

Erst 1995/96 wurde ein Waffenstillstand mit der IRA geschlossen und mit dem Belfaster Karfreitagsabkommen von 1998 (Good Friday Agreement) konnte man den Nordirlandkonflikt endlich beenden. Der Friedensvertrag sah die Entwaffnung der IRA vor und verlangte, dass die Regierung Nordirlands zwingend aus einer Koalition der beiden stärksten Parteien auf protestantisch-unionistischer und katholisch-republikanischer Seite besteht. Bis zum Friedensvertrg waren in Nordirland über 3000 Menschen durch den Konflikt umgekommen.

Gefahren

Der britische Brexit brachte 2021 neue Unruhe in das fragile Karfreitagsabkommen. Als beide Länder noch in der EU waren, gab es keine Zollgrenzen auf der irischen Insel, was eine Annäherung der Republik Irland an Nordirland begünstigte. Um Nachteile durch den Brexit zu vermeiden, wurde im sogenannten Windsor-Rahmenplan festgelegt, dass Nordirland im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion bleibt. Dagegen argumentierte wiederum die englandfreundliche Democratic Unionist Party (DUP), dass Nordirland anders behandelt werde als der Rest des Vereinigten Königreichs. Sie fordert ein Ende sämtlicher Warenkontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien.

Der englische Sieg am Boyne wird bis heute am 12. Juli von den protestantisch-unionistischen Traditionsverbänden in Nordirland mit Paraden gefeiert, was auch nach Abschluss des Friedensvertrags noch regelmäßig zu Konflikten zwischen Protestanten und Katholiken führt. Vor allem der Oranierorden und die von ihm veranstalteten Oraniermärsche (bezogen auf William III. of Orange) durch die Katholikenviertel von Belfast und Derry befeuern immer wieder aufs Neue den Nordirlandkonflikt. Jedes Jahr am Abend des 11. Juli (in der Bonfire Night) werden rund um Belfast hunderte von Freudenfeuern entfacht. Dabei werden Scheiterhaufen aus Holzpaletten und Autoreifen abgebrannt, in die oft Flaggen der Republik Irland und andere Symbole der Republikaner und Katholiken geworfen werden.

Quellen: Michael Maurer: Geschichte Irlands, Wikipedia, Planet Wissen, Irland.de, Spiegel, Die Zeit, Taz

Gefällt Dir der Beitrag? Dann teile ihn!