New York im Kaleidoskop

Inhalt

11 Wolkenkratzer

Bauweise

Nichts anderes ist stärker mit New York konnotiert als der Wolkenkratzer, für dessen Entstehung zwei Voraussetzungen in den USA bereits vorhanden waren. Das war einesteils der Wandel in der Bautechnik vom Baustein zu Beton und Stahl und andererseits der Boom im Immobiliensektor. Als es gegen Ende des 19. Jh. endlich gelungen war, die Grundidee der Gotik, nämlich die Last eines Bauwerks auf nur wenige tragende Punkte zu konzentrieren, mit der Verwendung der genannten modernen Materialien zu verschmelzen, wurde der Bau von Wolkenkratzern möglich. Dazu bediente man sich der Stahlskelett-Bauweise, die auf tragende Außenmauern verzichtete und die Last der einzelnen Geschosse auf einem Gestell von Stahlelementen verteilte, die miteinander vernietet und verschweißt wurden. Die ihrer Tragefunktion entkleideten Wände konnten jetzt mit leichten Materialien sehr flexibel konstruiert werden, durch Glas ersetzt oder ganz weglassen werden. Je höher man hinaus wollte, desto teurer wurde solch ein Bau allerdings, denn man benötigte riesige Mengen an Material, sehr hohe Kräne zum Transport desselben an seinen Bauplatz, aufwändige Fahrstühle anstelle von Treppen und außerdem stiegen die Kosten für die Versorgung eines solchen Hochhauses mit Energie und Wasser mit jedem Meter. Diesen erhöhten Finanzbedarf konnte man nur in boomenden Geschäftsvierteln und in Gegenden, wo der Baugrund knapp und begehrt war, erwirtschaften. Da sich in den Jahren von 1880 bis zum Ersten Weltkrieg New York zur Weltmetropole mit rasant steigender Bevölkerungszahl entwickelte, mit enormem Wirtschaftswachstum und unglaublichem Bauboom, war genau hier der Platz, wo sich die neue Bauweise durchsetzte. Durch die Insellage von Manhattan war der Baugrund limitiert und bei ins Unermessliche steigenden Immobilienpreisen bot es sich geradezu an, in die Höhe zu bauen. Auch in anderen Industriestädten wie Chicago und Philadelphia gab es ähnliche Bedingungen, so dass auch dort schon früh Wolkenkratzer entstanden. In New York begann diese Entwicklung in Midtown, um die 42. Straße, und bald darauf auch in Downtown im Süden. Mittlerweile wird in New York überall, wo Neues entsteht, in die Höhe gebaut, deshalb gibt es mittlerweile auch eine Skyline in Brooklyn, in Queens am East River und auf der anderen Seite des Hudson in New Jersey. Das Baumaterial der Gegenwart, der Beton, setzte sich auch im Hochhausbau durch und als man die Spann- und Stahlbeton-Bauweise entwickelt hatte, konnten die Bauwerke noch weiter in die Höhe wachsen. Unter dem Einfluss von Mies van der Rohe und seiner Lehrtätigkeit am Illinois Institute of Technology (IIT) in Chicago setzte sich die gläserne Vorhang-Fassade und die kubische Form der Gebäude durch und da die meisten modernen Architekten den Slogans form follows function und less is more folgten, entstanden jahrelang relativ gesichtslose, schwer voneinander unterscheidbare Hochbauten. Das hat sich glücklicherweise in den letzten Jahren geändert, so dass die neu entstehenden Wolkenkratzer wieder individuellere Züge tragen. Meine Vorliebe gilt dennoch den Gebäuden aus den 20er bis 40er Jahren, weil die Architekten dieser Zeit noch künstlerische Ambitionen hatten. Bevor die Vorhangfassade aus Glas Standard wurde, verblendete man die Gebäude gern mit Ziegel- oder Hausteinfassaden, die viel Platz für Gestaltung im Stil des Art Déco ließen.

Chrysler Building

Eine Ikone dieses Stils ist das Chrysler Building, das von 1928 bis 1930 – also mitten in der Weltwirtschaftskrise – vom Gründer des gleichnamigen Automobilkonzerns, Walter P. Chrysler, erbaut wurde. Großprojekte waren damals von der Krise weit weniger betroffen, denn geplant und finanziert wurden sie ja bereits mehrere Jahre früher, als die Wirtschaft noch boomte. Für die Investoren sprang sogar noch ein Vorteil heraus: Durch die sinkenden Löhne während der Depression konnten wesentlich mehr Bauarbeiter eingestellt werden, die das Projekt in Rekordzeit fertig stellten. Dem Automobilkonzern Chrysler gehörte das Gebäude nie, denn W. P. Chrysler ließ es als private Kapitalanlage auf eigene Kosten errichten. Chrysler gehörte zur Mehrheit der New Yorker mit Migrationshintergrund, denn seine Familie war schon 1709 aus Deutschland in die USA eingewandert und schrieb sich ursprünglich Kreißler, was ihnen im Laufe der Jahre zunehmend unamerikanisch vorkam. Deshalb passten sie ihren Namen einige Generationen später der angelsächsischen Rechtschreibung an. Das Chrysler Building liegt an der Ecke Lexington Avenue und war bei der Einweihung mit 319m das höchste Gebäude der Welt; heute reicht das gerade noch zum siebthöchsten Wolkenkratzer New Yorks. Nur 11 Monate konnte es sich im Ruhm des Weltrekords sonnen, als auch schon das Empire State Building mit 381m Gebäudehöhe und einer Antennenspitze von 62m diese Position übernahm. Die Gebäudehöhe war bei einem Wolkenkratzer ein wichtiges Vermarktungsmerkmal, deshalb scheuten sich die Architekten nicht, dabei gegebenenfalls ein wenig zu mogeln. Die Rekordhöhe des Empire State war nur durch das Aufsetzen der Spitze zustande gekommen und so hatte es auch bereits der Architekt des Chrysler, William Van Alen, gehalten. Die 77 nutzbaren Geschosse des Bauwerks waren 282m hoch und erst durch die Art Déco Bekrönung wurde es auf die Rekordmarke gebracht. Während des Baus hatte sich Van Alen einen Wettkampf mit dem Ex-Partner seines Architekturbüros geliefert, dessen neues Projekt, die Manhattan Bank, ebenfalls New Yorks höchstes Gebäude werden sollte. Beide Wolkenkratzer wurden zur gleichen Zeit hochgezogen und die beiden Architekten beäugten misstrauisch den Baufortschritt des jeweils anderen. Als das Chrysler mit 282m scheinbar fertig war, genügten dem Konkurrenten 283m für die Manhattan Bank, um ihm den ersten Platz zu sichern. Doch Van Alen hatte versteckt im Innern des Chrysler die künstlerisch gestaltete Stahlspitze vormontieren lassen und setzte sie nun, nach der Einweihung des anderen, seinem Gebäude auf. Aber, wie schon gesagt, nur 11 Monate später war der Rekord bereits wieder futsch. Der Schönheit der Architektur konnte das aber nichts anhaben, noch heute behauptet sich das Chrysler inmitten weit höherer Bauten. Da ist einerseits die fünffache Staffelung des Turmdurchmessers von einem massiven Fundamentblock über mehrere Rücksprünge bis zu dem in die Höhe schießenden Schaft und andererseits die unverwechselbare Art-Déco Spitze. Die genutzten Obergeschosse des Wolkenkratzers werden in jeder Himmelsrichtung durch Rundbögen abgeschlossen, über denen sich fünf weitere solcher Scheiben erheben. Sie können hinterleuchtet werden und verleihen dem Chrysler auch nachts sein charakteristisches Aussehen in der Skyline von Manhattan. Am Rand des Daches sind, wie in der Gotik üblich (und hier mit demselben Begriff gargoyles benannt), wasserspeierartige Figuren angebracht, die sich in ihrem Design aber eher an den Kühlerfiguren der damaligen Chrysler-Modelle orientieren. Die (nachgeholte) Inaugenscheinnahme der Lobby und der Fahrstühle des Gebäudes ist für mich ebenfalls ein Kunstgenuss: Raffinierte Lichtarchitektur und erlesene Marmorpaneele in der Lobby und die einzigartigen Art-Déco Fahrstuhltüren.

Cathedral of Commerce: Woolworth Building

Genau so ins Schwärmen wie beim Chrysler- kommt man auch beim Woolworth-Building, obwohl es (schon seit 1945) ebenfalls nicht öffentlich begehbar ist. Es liegt downtown am Broadway, gegenüber dem City Hall Park und entstand 16 Jahre vor dem Chrysler, was man seiner Architektur auch deutlich ansehen kann. Aus einem massiven, u-förmigen Kern erwächst ein 241m hoher Turm, zur Bauzeit im Jahre 1912 der höchste der Welt. Seine moderne Stahlskelettkonstruktion wird dadurch verborgen, dass vier gemauerte Strebepfeiler an jeder Seite suggerieren, dass sie und nicht das unsichtbare Stahlgerüst im Innern die Fassade tragen. An ihren oberen Enden laufen sie in kleine Türmchen aus, die den Fialen der Gotik ähneln. Überhaupt bezieht sich das durch und durch moderne Gebäude in vielen Details auf gotische Architektur, weil Baumeister Cas Gilbert und sein Auftraggeber, Kaufhauskönig Woolworth, diesem historischen Baustil sehr zugetan waren, deshalb bekam der Bau auch schnell den Namen „Cathedral of Commerce“. Das absolute Highlight des Woolworth-Building ist seine mehrere Stockwerke einnehmende Lobby mit Marmorvertäfelungen, Mosaiken, gotischen Schmuckelementen und einer leuchtenden Decke aus Buntglas-Scheiben. Am Betreten dieser Lobby durch den kathedralenartigen Haupteingang werde ich durch den doorman gehindert, deshalb mogle ich mich durch einen Seiteneingang hinein, werde aber, sobald ich die Lobby erreicht habe und wie wild knipse, rabiat rausgeworfen und bekomme deshalb die wahrscheinlich sehr sehenswerten Fahrstühle überhaupt nicht zu Gesicht.

Empire State Building

Das Empire State Building gehört zu den drei Wolkenkratzern, die ich virtuell „bestiegen“ – realiter allerdings befahren – habe oder noch genauer, auf die ich im Schnellaufzug hinauf katapultiert wurde. An einem Tag mit wunderbarstem Sonnenschein und blauem Himmel bin ich gerade auf der 5th Avenue unterwegs, als ich auf die Ticketverkäufer für das Observation Deck des Empire State stoße, die wie die Geier auf Touristen lauern um ihnen tickets all inclusive, skip the line oder was weiß ich, für welche anzudrehen. Das bringt mich darauf, mal nachzuschauen, wie lang denn die Warteschlange überhaupt ist und – Überraschung: Es gibt keine! In Erwartung wunderbarster Fotos bei diesem Wetter entscheide ich mich augenblicklich für den „Aufstieg“, zahle 36 $ Eintritt, nehme zähneknirschend die (nur) 2 $ Rentnerrabatt in Anspruch und kämpfe in der wunderbaren Art-Déco Lobby erst einmal gegen die vielen Prof-Fotografen an, die genauso geierartig wie eben noch die ticketseller den Besuchern weitere Dollars aus der Tasche ziehen wollen – für Bilder, die man heutzutage als Selfie für lau macht. Dann endlich geht es in dem von einem real existierenden Fahrstuhlführer (den ich für seinen öden Job zutiefst bedaure) handbedienten express lift rasant aufwärts. Als ich auf die Aussichtsterrasse heraustrete, muss ich mich für meinen Entschluss einfach beglückwünschen: Zweifellos hat man von hier oben den besten Blick auf New York, denn man befindet sich ziemlich genau im Zentrum von Manhattan und ist von allen berühmten Wahrzeichen gleich weit entfernt. Zuerst fällt einem im Norden das riesige grüne Rechteck des Central Park mit dem Reservoir und dem Harlem Meer in die Augen und man registriert erstaunt, dass sich die Stadt dahinter endlos weiter erstreckt und schließlich im Dunst verschwindet. Dann die großen Wasserläufe, im Osten der East River mit dem Häusermeer von Queens und Brooklyn auf Long Island, im Westen der Hudson mit der Skyline von New Jersey und im Süden die Wolkenkratzer von Downtown Manhattan mit der neuen Stadtkrone, dem One World Trade Center. Am eindrucksvollsten ist, dass man sich hier selbst inmitten zahlloser Wolkenkratzer befindet, auf die man hinabblickt, weil das Empire State immerhin noch das iebthöchste Gebäude New Yorks ist. Die bereits beschriebene Ästhetik des Chrysler Building kommt von diesem Platz aus besonders zur Geltung. Noch ganz trunken von dem Anblick beschließe ich spontan, meine jüngste Enkelin auf alle drei Ikonen der New Yorker Wolkenkratzer (Empire State, Rockefeller Center, One World Center) zu lotsen, weil ich gelesen habe, dass die Eingeborenen dieser Stadt weder die Statue of Liberty noch die berühmten skyscrapers jemals besuchen, es sei denn, sie müssen ihren Besuch dorthin begleiten. Beim erneuten Besuch haben wir leider nicht mehr das „Kaiserwetter“ vom letzten Mal, aber der „Aufstieg“ ist doch immer wieder lohnend. Mit Befriedigung verfolge ich, wie die Vogelschau von hier oben das geographische Verständnis der Enkelin fördert, insbesondere als sie mir ihren Schulweg aus der Mitte der amorphen Landmasse von Queens über den East River hinüber in den Nordostteil von Manhattan zeigt. Fantastisch ist der Blick auf die sich verjüngende Spitze des Empire State und den für die damalige Rekordhöhe sorgenden Antennenmast, beides in edlem Art-Déco. Der Mast war einst als Andockstation für Luftschiffe gedacht, eine Schnapsidee, von der man schleunigst wieder Abstand nahm, nachdem man den ersten Testversuch mit einem kleinen Luftschiff wegen der hier herrschenden Turbulenzen abgebrochen hatte. Und erhebend das Gefühl, auf einem Gebäude zu stehen, das 42 Jahre lang das höchste der Welt war und das nicht zuletzt durch den Film „King Kong“ jedem Kind auf der Erde ein Begriff ist. Ebenso unvergesslich die Aufsehen erregenden Fotos der schwindelfreien Mohawk-Indianer, die beim Bau das Stahlgerüst zusammen nieteten und sich in über 300 Metern Höhe Baumaterial und Werkzeuge zuwarfen. Die Spitze wird seit 1964 von Einbruch der Dunkelheit bis Mitternacht in der Regel weiß beleuchtet. Bei besonderen Anlässen gibt es verschiedene Farben, zum Beispiel rot-weiß-blau für US-Feiertage, rot-grün in der Weihnachtszeit, rot am Valentinstag, grün am St. Patrick’s Day, pink am Christopher Street Day und sogar einmal jährlich in den deutschen Nationalfarben, am Tag der Steuben Parade.

Rockefeller Center

14 Straßen weiter nördlich, ebenfalls auf einem Grundstück, das seitlich an die 5th Avenue grenzt, befindet sich der Komplex des Rockefeller Center. Der Ölmilliardär John D. Rockefeller II startete dieses Entwicklungsprojekt Ende der 20er Jahre unter anderem aus dem Motiv, der Metropolitan Opera endlich einen repräsentativen Neubau mit ausreichender Anzahl von Logen für betuchte Leute (wie ihn selbst) im Zentrum der Stadt zu verschaffen. Rockefeller förderte das Projekt durch Anmietung teurer Grundstücke aus dem Besitz der Columbia University. Aber der Börsenkrach von 1929 bewog die private Betreibergesellschaft der Met, ihr Neubau-Vorhaben aufzugeben (erst 1969 realisierte sie ihr neues Haus im Lincoln Center) und Rockefeller musste eine neue Vermarktungsstrategie für sein bereits begonnenes Projekt finden. Ab 1931 ließ er es mit einem völlig neuen Typus New Yorker Geschäftshäuser bebauen: Anstelle eines einzigen Turmhochhauses, wie noch beim Empire State Building, baute er auf einem riesigen Areal von der 49th bis zur 51st Street und von der 5th bis zur 7th Avenue zwanzig unterschiedliche Gebäude. Sie unterschieden sich vom klassischen Wolkenkratzer durch ihre Form als breite aber dünne Hochhausscheiben. Dadurch kam mehr Licht ins Innere der Gebäude; verschiedenartige Nutzungen vom Wohnen über Büros bis zu aufwändigen Firmensitzen sollten so ermöglicht werden. Das gelang ihm viel besser als den Erbauern des Empire State Building, die lange Zeit nur Einnahmen durch das Observation Deck erzielten, Rockefeller dagegen hatte Mieter wie General Electric (GE), Radio Corporation of America (RCA) und heute Comcast, den größten Kabelnetzbetreiber, zweitgrößten Internetdienst und drittgrößte Telefongesellschaft der USA. Die Gebäude sind – der Zeit entsprechend – im Art-Déco Stil gehalten, allerdings mehr beim Dekor als in der Architektur, die durch die oben beschriebene neue Hochhausform schon vorgegeben war. Kunstwerke des berühmten mexikanischen Malers Diego Rivera wurden in den verschiedenen Lobbies und Eingängen angebracht und Lee Lawrie, der in Rixdorf (Berlin-Neukölln) geborene Art-Déco Künstler, trug eine Fülle von Reliefs und Skulpturen wie den bekannten Atlas bei. Ein originales Segment der Berliner Mauer quetscht sich unauffällig in eine Lücke zwischen den vielen Gebäuden.

Das heutige Comcast Building (damals RCA) ist das bekannteste Gebäude des Centers und steht mit 259 Metern Höhe und 70 Stockwerken auf Platz 18 der Wolkenkratzer in New York City. Außer der Aussichtsplattform Top of the Rocks beherbergt es das Hauptquartier der Radiosender NBC und MSNBC sowie Studios der Fernsehanstalt, wo die NBC Nightly News und weitere bekannte Produktionen der NBC aufgezeichnet bzw. gedreht werden; aber auch General Electric unterhält hier Büros. Angesichts des immer sehr regen Besucherverkehrs habe ich die Eintrittskarten für Top of the Rocks schon am Tag vorher gekauft, deshalb können wir die Fahrt nach oben ohne Wartezeiten antreten. Wie schon beim zweiten Besuch des Empire State Building ist das Wetter nicht prickelnd, Nieselregen und dichte Wolken, aber – ein Beweis für das Faszinosum Wolkenkratzer – egal bei welchem Wetter, man ist immer wieder überwältigt von der Agglomeration der Hochbauten, dem Anblick der Metropole von oben, dem Wasser des Hudson und East River um uns herum und der grünen Insel des Central Park.

Vor dem Gebäude befindet sich die Rockefeller Plaza mit der Prometheus-Statue und der berühmten Winter-Eisbahn. Ursprünglich sollte hier die Eingangspassage zu den Geschäften im Untergeschoss entstehen, als man diese Planung aber wegen der damaligen Wirtschaftskrise aufgab, entstand die Idee, die Plaza je nach Jahreszeit öffentlich zu nutzen. So kam es zur Nutzung als Konzertplatz im Sommer und als Eislaufbahn im Winter, wodurch der private Platz mitten im Rockefeller Center zur sozialen Begegnungsstätte zwischen Arm und Reich im Herzen New Yorks wurde – in dieser teuren Geschäftsgegend eine große Besonderheit! Zur Weihnachtszeit wird hier der riesige Weihnachtsbaum aufgestellt; die norwegische Fichte erhebt den Anspruch, der größte der USA zu sein. An seiner Spitze ist ein fast 3 m großer und mit 25.000 Kristallen besetzter Stern von Swarovski angebracht und der New Yorker Bürgermeister entzündet – nun ja, knipst an – alljährlich die etwa 30.000 Lichter des Baumes in der Tree Lighting Ceremony.

Radio City Music Hall

Gegenüber dem Hauptgebäude des Rockefeller Center (und zu ihm gehörend) liegt die Radio City Music Hall mit ihrer eindrucksvollen Art-Déco Fassade. Sie wurde in den 1920er Jahren als Konzertsaal für Radioübertragungen erbaut und galt damals als Ikone des neuen Mediums. 1932 baute man sie zum Theater um, da das Genre des hochklassigen Varietés wiederbelebt werden sollte. Trotz der spektakulären Bühnenshow zur Eröffnung wurde das Ganze jedoch nicht der erhoffte Erfolg, deshalb verwandelte man das Haus anschließend in das mit 5.933 Plätzen weltgrößte Filmtheater seiner Zeit. 1933 wurde auf einer riesigen Leinwand der erste Film gezeigt und bis 1979 gab es dort vier Mal am Tag Filme, die von Live-Darbietungen umrahmt wurden. 1980 baute man die Halle erneut um und nutzt sie heute nur noch gelegentlich als Kino, der Fokus liegt jetzt auf Shows, Konzerten und alljährlich dort stattfindenden awards, wie die MTV Video Music Awards und die Verleihungen der Tony Awards, der Preise für die besten Musicals und Theaterstücke am Broadway. Die Showtanzgruppe The Rockettes der Radio City Music Hall gilt als eine der besten der Welt. Ihre bekannteste Nummer ist die „Parade der Holzsoldaten“ aus der Weihnachtsshow „Radio City Christmas Spectacular“, die aber auch in den meisten übrigen Shows gezeigt wird.

One World Trade Center

Lower Manhattan wird dominiert durch den Polyeder des One World Trade Center, der sich auf dem Areal befindet, auf dem sich am 11.09.2001 der bisher schwerste Terroranschlag der Geschichte ereignete. Seit der Zerstörung des alten World Trade Center hat sich für das Gelände der Begriff Ground Zero eingebürgert, der der Militärsprache entlehnt ist und eigentlich den Bodennullpunkt meint, an dem eine Bombe explodiert und wo die größten Schäden entstehen. Seit dem Einsturz der Twin Towers hat sich der Terminus, der bisher überwiegend im Zusammenhang mit Atombombenexplosionen gebraucht wurde, auf den Ort von 9/11 erweitert. Unmittelbar nach dem Anschlag verkündete die Stadt New York, dass Ground Zero wieder bebaut werden solle, jedoch verharrte der Besitzer des Areals, die NY Port Authority (städtische Hafenbehörde), zunächst in einer Art Schockstarre, bis 2002 ein Architekturwettbewerb für die Wiederbebauung des WTC-Areals ausgelobt wurde, den Daniel Libeskind 2003 gewann. Der Architekt hatte zuvor erst ein Gebäude (das jüdische Museum in Berlin) verwirklicht und galt im Hochhausbau als unerfahren. Den Ausschlag für seinen Entwurf hatte dessen Symbolträchtigkeit gegeben, denn Libeskind wollte den Grundriss der Twin Towers unbebaut lassen um dort eine Gedenkstätte zu schaffen. Statt der Doppeltürme plante er nur einen Wolkenkratzer mit dem Namen Freedom Tower, der eine rekordverdächtige Höhe von 1776 Fuß erreichen sollte, wobei sich diese Zahl auf das Jahr der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung bezog. Libeskinds Entwurf für den Freedom Tower, ein in sich verdrehter Quader auf quadratischem Grundriss, wies eine auskragende Spitze auf, die Assoziationen an den Arm der Freiheitsstatue erwecken sollte, die bekanntlich die Fackel der Freiheit trägt.

Je näher es an die Umsetzung dieser Pläne ging, desto deutlicher wurde, dass das World Trade Center – wie schon sein Vorgänger – ein kommerzielles Unternehmen ist, bei dem Vermietbarkeit, Preisniveau und Gewinnerwartung höherrangige Kriterien darstellen als Symbolkraft und künstlerische Qualität des Entwurfs. So rückte man schrittweise vom Wettbewerbssieger wieder ab, indem man ihn zum reinen Masterplan-Architekten degradierte und ihm „ausführende“ Baubüros vor die Nase setzte, darunter das des Architekten Child, welches zwar im Wettbewerb gegen ihn verloren, aber den damals welthöchsten Wolkenkratzer (Burj Khalifa) gebaut hatte. Die Freiheit verschwand aus dem Namen des Turms, der nun, wie schon der erste der beiden Twin Towers, One World Trade Center heißt. Libeskinds verdrehter Quader wurde zu einem kristallinen Gebilde umgemodelt, einem so genannten Antiprisma: Auf dem Quadrat der unteren Turmhälfte erhebt sich – um 90 Grad verdreht – das etwas kleinere der oberen, wobei sich als Übergänge zwischen den beiden Bauteilen acht lange, über das gesamte Bauwerk reichende Dreiecke ergeben, schmal, wenn ihre Spitzen nach unten und breit, wenn sie nach oben zeigen. Auf der oberen Plattform steht eine runde Metallkonstruktion zur Verankerung der Halteseile für die Mastspitze, die das Gebäude auf 1776 Fuß Gesamthöhe bringt. Der beiseite geschobene Wettbewerbssieger ertrug seine Niederlage tapfer und tröstet sich damit, dass „wesentliche Teile“ seines Entwurfs ja realisiert seien, die 9/11 Gedenkstätte und die 1776 Fuß Höhe. Mit fast 4 Mrd. $ Kosten ist das One World Trade Center aktuell das teuerste Gebäude der Welt und dem entsprechend sind die Mieten, die hier gezahlt werden – allein für das Observation Deck ca. 900 Mio $ für zehn Jahre, was Eintrittspreise von 30 – 50 $ pro Person erfordert.

Dafür wird einiges mehr geboten als auf dem Empire State und auf Top of the Rocks: Der Fahrstuhl zum Aussichtsgeschoss besteht im Innern komplett aus einem LED-Bildschirm, auf dem während der Aufwärtsfahrt ein Schnellkurs in New Yorker Geschichte abläuft – mit faszinierenden Bildern, die immer realer werden, je höher man kommt. Kurz vor dem Halt hat man den Eindruck, sich in einem gläsernen Aufzug an der Außenseite des Gebäudes zu befinden, von wo aus man schon vorab den atemberaubenden Blick nach unten hat und das bei ständig gleich bleibend gutem Wetter. Vom observation deck ist man zunächst einmal ernüchtert, einer verdunkelten, vollverglasten Etage, auf der man zu weiterem Konsum animiert wird und wo auf den Vorhängen eine weitere Videoprojektion abläuft – doch dann leitet dramatische Musik die plötzliche Öffnung der Jalousien ein. Tageslicht dringt in den Raum und auf allen vier Seiten bieten sich unvergleichliche Blicke nach unten: Auf die Brücken über den East River, allen voran Manhattan Bridge und Brooklyn Bridge; auf die Upper Bay mit Ellis Island und einer winzigen Freiheitsstatue; den majestätischen Hudson River und die Skyline von New Jersey sowie die eindrucksvolle Skyline von Midtown mit dem Empire State und dem Chrysler Building. Beim Stellen der Schneewittchenfrage realisiert man aber auch die Nachteile des OWTC, wie die spiegelnden Scheiben, die vernünftige Fotos verhindern und die fehlende Möglichkeit, ins Freie zu treten. Auch sind die Ausblicke auf die Wolkenkratzer in Midtown spektakulärer, so dass ich mich fürs Empire State Building entscheide.

432 Park Ave

Und zum Abschluss dieses Kapitels noch ein paar Worte zum hässlichsten Hochhaus New Yorks: 432 Park Ave. Das 2016 in Betrieb genommene, extrem schlanke Gebäude (auf einer Grundfläche von 28 x 28m) steht in unmittelbarer Umgebung des Central Park und ist von fast überall in New York aus zu sehen. Mit seiner Höhe von 426m ist es jetzt (2023) das fünfthöchste Bauwerk der Stadt und verdrängt zusammen mit Hudson Yards 30 das Empire State Building auf Platz sieben. Inmitten der vielen Art-Deco Bauten in Midtown kommt das Jämmerliche seiner Architektur besonders zum Ausdruck: Ein monotoner Bauköper auf äußerst schmaler Grundfläche bis hinauf zum Abschluss mit einem banalen Flachdach. Es wird ausschließlich zum Wohnen genutzt, auf 89 Etagen sind insgesamt 104 Apartments untergebracht. Bei Baukosten von etwa 1,25 Mrd US-Dollar rechnete der Investor mit Einnahmen von 3 Mrd $. Eine Dreizimmerwohnung kostete 9,7 Mio $, ein Penthouse schätzungsweise 95 Mio und persönliche, klimatisierte Weinkeller lagen zwischen 159 000 und 378 000 $. Seit der Pandemie stiegen die Betriebskosten um 40 % und als 2021 bekannt wurde, dass der Bauherr auf 250 Mio Schadensersatz verklagt wurde, weil sich gravierende Mängel auftaten, hielt sich das Mitleid mit den Eigentümern in engen Grenzen (auch bei mir). So hatte es mehrere Kabelbrände gegeben, die Aufzüge funktionierten nicht zuverlässig und das Geräusch des Müllschluckers wurde mit der Detonation einer Bombe verglichen.

Gefällt Dir der Beitrag? Dann teile ihn!