New York im Kaleidoskop

Inhalt

12 Central-Park

Geschichte

Der Blick vom Empire State Building auf die Nordhälfte von Manhattan zeigt eindrucksvoll, welch großen Raum der Central Park einnimmt. Ab der 59. Straße sind nördlich vier Avenues aus dem Straßenraster ausgespart und bis zur 110. Straße in Harlem erstreckt sich auf 330 ha das Parkgelände, das in Ost-West-Richtung nur von vier Streets gequert wird. (Auch diese will die Stadt übrigens schrittweise stilllegen um die Aufenthaltsqualität im Park zu erhöhen). Als um 1850 die Pläne für einen solchen Park aufkamen, wuchs Manhattan explosionsartig, es hatte bereits über 500.000 Einwohner und die Fläche des späteren Parks war nur deshalb so dünn bebaut, weil der Baugrund ausgesprochen schlecht war: Der größte Teil war sumpfiges Gelände und der Rest glaziale Felsen. Die Durchsetzung des Plans für einen Park war schwierig, weil nicht alle die Notwendigkeit eines solchen Projekts akzeptierten. Viele „Bauhaie“ dachten eher daran, auch den Norden Manhattans mit jenen billigen Unterkünften für Immigranten vollzustellen, wie sie schon massenhaft in Little Italy, Chinatown und der Lower East Side existierten. Grünanlagen, sofern man sie nicht für teures Geld an Millionäre verkaufen konnte, galten ihnen nur als Aufenthaltsplatz für Arbeitsscheue. Fortschrittlich eingestellte Leute beklagten dagegen fehlende Erholungsmöglichkeiten für die Unterschicht, die in engen, überfüllten und ungesunden Massenunterkünften lebte und keine Möglichkeit hatte, ihre spärliche Freizeit in der Natur zu verbringen. Manhattan war ein einziges Bauspekulationsobjekt und die Küstenlinie vollkommen mit Hafenanlagen und Fabriken zugebaut. Die einzigen größeren Freiflächen mit ein wenig Grün waren die Friedhöfe, die infolgedessen intensiv als Freizeitbereich genutzt wurden.

Im ersten Drittel des 19. Jh. entwickelte sich in Großbritannien das Fachgebiet der Landschaftsarchitektur. Dabei ging es um den Entwurf und den Bau von großen Gärten, die den Eindruck von gewachsener Natur hervorrufen sollten. Sehr schnell verbreiteten sich die von Gilbert Laing Mason und John Claudius Loudon erdachten Prinzipien in Europa und erreichten um die Mitte des Jahrhunderts auch die USA. Frederick Law Olmsted und Calvert Vaux sahen Landschaftsarchitektur als eine Gesamtkunst, die die Planung eines Gartens mit Geländemodellierung, Anpflanzung, Bewässerung und Anlage von Wegen sowie Parkarchitektur miteinander verband. 1857 beauftragte das City Council die beiden mit dem Bau des Central Parks als Grünanlage für alle New Yorker. Er sollte – kostenlos benutzbar – Spielplätze, einen Blumengarten, einen See, aber auch einen Paradeplatz und Straßen zur Verbindung der 5. mit der 8. Avenue enthalten. Die Arbeiten begannen 1858; 3000 irische, deutsche und englische Tagelöhner – die Ärmsten unter den vielen Armen New Yorks – kamen zum Einsatz. Für zehnstündiges Schuften pro Tag gab es einen Dollar Lohn. Wochenlang sprengte man Granitfelsen hinweg, wobei mehrere Arbeiter zu Tode kamen. Die Trümmer dienten zum Anlegen künstlicher Berge und 50.000 Kubikmeter Kiesel wurden auf der gesamten Parkfläche verteilt. Man baggerte Seen aus und schüttete mit dem Aushub künstliche Hügel auf. 700 Kilometer Kanalrohre verlegte man als unterirdische Drainage. Anschließend wurde gerodet und neu gepflanzt, insgesamt 240.000 Bäume und Sträucher. Für die gärtnerische Umsetzung von Olmsteds Plänen war der first landscape gardener Ignatz Anton Pilat zuständig, ein aus Wien gekommener Gärtner, dem wir am Madison- und am Washington Square schon begegneten. Das Ganze sollte wie eine gewachsene Naturlandschaft aussehen – ergänzt durch die Architektur von Calvert Vaux: Brücken, Terrassen, Treppen, Brunnen, Tore, Bögen, Zäune, Mauern und nicht zu vergessen die zahlreichen Denkmäler. Es dauerte lange, bis der Park von der gesamten Bevölkerung angenommen wurde. Anfangs nutzten ihn lediglich die Reichen aus der 5th und 8th Avenue als Promenade und zum Ausritt, für die Armen stellte bereits das Fahrgeld von den Elendsquartieren im Süden Manhattans bis hierhin eine zu hohe Hürde dar. Erst mit dem Bau der Subway wurde der Central Park zu dem, was er heute ist, ein Treffpunkt für alle New Yorker.

Denkmäler

Ursprünglich zierten 29 Denkmäler den Park (historische Persönlichkeiten, Literaten, Romanfiguren und Tiere), wovon einige später an andere Orte versetzt wurden. Das Bedeutendste unter ihnen ist Cleopatra’s Needle, ein original altägyptischer Obelisk aus der Zeit Thutmosis III. Bereits die römischen Kaiser hatten als Zeichen ihrer Macht ägyptische Obelisken verschifft und in Rom aufstellen lassen, desgleichen einige Jahrhunderte später der oströmische Kaiser Theodosius in Konstantinopel. In der Renaissance, auf dem Höhepunkt der Macht des Vatikans, ließen die Päpste viele der inzwischen umgestürzten Obelisken in Rom zu ihrem eigenen Ruhm wieder aufrichten. Aber auch noch in der Neuzeit wurden weitere Objekte dieser Art aus den gleichen Gründen aus Ägypten weggebracht. In Erinnerung an Nelsons Schlacht bei Abukir schenkte 1819 der Regent Ägyptens, Muhammad Ali Pascha, dem Vereinigten Königreich einen der zwei Obelisken von Heliopolis aus der Zeit Thutmosis III. Später nach Alexandria verbracht, stürzte er bei einem Erdbeben um und war im Erdreich gut erhalten geblieben. Großbritannien nahm das Geschenk zwar hoch erfreut an, sah sich aber zunächst außerstande die hohen Transportkosten zu bezahlen. (Muhammad Ali machte übrigens noch noch ein weiteres großzügiges Geschenk dieser Art: Den bis 1831 vor dem Tempel von Luxor stehenden Obelisken Ramses II. vergab er an König Louis Philippe, um sich auch das Wohlwollen der Kolonialmacht Frankreich zu sichern; 1836 stellten ihn die Franzosen auf der Place de la Concorde in Paris auf.) Zeitungsberichte über den 60 Jahre nach der ursprünglichen Schenkung endlich erfolgenden Transport und die Aufstellung von Cleopatra’s Needle in London erregten 1878 auch Begehrlichkeiten in New York: „If Paris had one and London was to get one, why should not New York get one?“ schrieben die Zeitungen und präsentierten eine gefälschte Zusage des ägyptischen Statthalters für die Vergabe des zweiten Obelisken von Heliopolis nach New York. Als sich auch Prominente für diese Idee einsetzten (z.B. sagte der Eisenbahnmagnat Vanderbilt die Übernahme der Transportkosten zu) erreichte die normative Kraft des Faktischen, dass auch New York seinen imperialen Obelisken erhielt. Westlich des Metropolitan Museum of Art wurde er 1881 auf einem Hügel im Central Park aufgestellt. Hier ist er in den 130 Jahren seiner Existenz in der Neuen Welt weit mehr verwittert als in den 3000 Jahren zuvor, so dass die ägyptische Altertümerverwaltung bereits Alarm schlug und eine Rückforderung androhte. Kurios ist, dass alle drei Obelisken in Großbritannien, Frankreich und den USA den unzutreffenden Namen „Nadel der Kleopatra“ tragen, obwohl jene hellenistische Herrscherin erst 1400 Jahre nach deren Errichtung geboren wurde.

Das zweite herausragende Denkmal im Park, nicht nur wegen seiner Größe, ist das von Władysław II. Jagiełło. Als Replik des Warschauer Grunwald-Denkmals wurde es von der polnischen Regierung 1939 zur Weltausstellung nach Flushing Meadows in Queens gesandt. Die Schlacht von Grunwald (in der deutschen Geschichtsschreibung: Tannenberg) hat in der polnischen Geschichte eine besonders identitätsstiftende Bedeutung: Mit seinem Sieg über das Heer des Deutschen Ritterordens konsolidierte Władysław das litauisch-polnische Großreich der Jagiellonen, das große Teile Osteuropas umfasste und 186 Jahre lang Bestand haben sollte. Polen galt in dieser Zeit als das Herz Europas, darauf folgte allerdings eine lange Periode des Niedergangs, bis hin zur völligen Auflösung des Staates. Da das 1918 wiedererstandene Polen im Jahr der amerikanischen Weltausstellung und der Verbringung des Denkmals nach New York von den Deutschen erneut ausgelöscht wurde, verblieb die Kopie des Jagiełło quasi herrenlos in Amerika, während die Sieger das Original in Warschau zu Kriegszwecken einschmolzen. Kurze Zeit nach Kriegsende, als es in Polen noch keinen Kommunismus gab, verkaufte die Regierung die in NY verbliebenen Weltausstellungsstücke nach Chicago, bis auf das Jagiełło -Denkmal, das wahrscheinlich wegen seiner unhandlichen Größe New York nicht verließ sondern im Central Park aufgestellt wurde.

Anlässlich des 400. Jahrestages der Landung von Kolumbus auf dem amerikanischen Kontinent schuf der spanische Bildhauer Jeronimo Suñol ein Monument aus Marmor, das 1892 auf der Plaza de Colón in Madrid  eingeweiht wurde. Zwei Jahre später kam es zur Aufstellung einer bronzenen Kolumbus-Statue des gleichen Künstlers im Central Park, die mehr als 120 Jahre unbehelligt an ihrem Standort verblieb. Aber nach dem tragischen Tod des Schwarzen George Floyd bei einem Polizeieinsatz drehte sich die öffentliche Meinung über Denkmäler, die den Kolonialismus verherrlichten und zu denen man jetzt auch die zahlreichen Kolumbus-Statuen überall im Lande zählte. Vielerorts wurden sie beseitigt und gleiches forderte man auch in New York, jedoch entschied die Stadt (mit Unterstützung des Bürgermeisters de Blasio und des Gouverneurs Cuomo) die Statue im Central Park und weitere in New York vor Ort zu belassen. Die Park-Skulptur wurde allerdings 2020 eingezäunt und – zur Verhinderung von Vandalismus – seitdem ständig von der Polizei bewacht.

Unweit von Kolumbus, nördlich der den Park durchquerenden East 66th Street hat Frederick Law Olmsted the Mall angelegt, eine beeindruckende, an das Gewölbe einer Kathedrale erinnernde Ulmenallee. Hier befindet sich der literary walk mit Denkmälern englischsprachiger Literaten wie William Shakespeare, Fitz Green Halleck, Robert Burns und Sir Walter Scott. Sie waren die Antwort auf die Aufstellung einer Schiller Büste (hier kurioser Weise betitelt Johann C. F. von Schiller), gestiftet 1859 von der New Yorker German-American community anlässlich seines 100. Geburtstags. Diese (drei Tage lang gefeierte) erste Aufstellung eines Dichterdenkmals löste einen wahren run anderer Einwanderernationen, wie Dänen, Italiener, Spanier und Lateinamerikaner darauf aus, auch ihre Heroen im Central Park gewürdigt zu sehem. Den Deutschen glückte es noch, Alexander von Humboldt (αuf dem Weg zum Naturkundemuseum) und Beethoven (im Nordteil) zu platzieren, dann waren erstmal andere dran, darunter die Dänen mit ihrer Hans-Christian-Anderson-Statue, die von Kindern beklettert werden darf und an der jeden Samstag Yormittag Märchenvorlesungen stattfinden.

Bekletterbar für Kinder sind auch die Figur von Alice im Wunderland und vor allem die des Huskies Balto, der zum Hundeheros wurde, nachdem er im Winter 1926 als Schlittenhund in Alaska während einer Diphterie-Epidemie die nötigen Medikamente über 1600 km durch Eis und Schnee transportiert hatte. Bei der weiteren Neuaufstellung von Denkmälern zogen die Park-Verantwortlichen allerdings erst einmal die Notbremse indem sie solche bürokratisch erheblich erschwerten. Erst nach 50jähriger Pause ist mit dem Women‘s Rights Pioneers Monument erstmals wieder eine neue Gedenkstätte angelegt worden (in der Nähe des literary walk).

Niedergang

In fast allen Jahren seiner Existenz haben die New Yorker den Central Park gepflegt und weiter verschönt. Aber in den Siebzigern, während des strukturellen Haushaltsdefizits der Stadt, wurde nichts mehr investiert und er verkam zusehends. Der Personalabbau bewirkte, dass sich organisierte Kriminalität breit machte und die Anlage zum Drogenumschlagplatz wurde. Man riet Fremden vom Betreten (insbesondere im Dunkeln) ab und empfahl, falls man den Besuch doch wagen sollte, für den Fall eines Raubüberfalls 20 $ (und keinesfalls mehr!) bereitzuhalten, um nicht dem Wutanfall eines mobsters wegen mangelnder Beute anheimzufallen. Nicht nur Giulianis Maßnahmen haben in den letzten 20 Jahren diese unhaltbare Situation abgestellt. Es wurde wieder Personal eingestellt und heute widmen sich viele Freiwillige der Arbeit im Park. Auch sieht man deutlich das Bemühen, Geld für die Unterhaltung und Restaurierung einzuwerben und auszugeben.

Parkspaziergang

Bei früheren Besuchen hatten wir stets den Haupteingang an der 5th Avenue/59th Street benutzt und waren wegen der großen Entfernungen und der vielen Sehenswürdigkeiten nur bis zu The Lake und zu Bethesda Fountain gekommen, dem zwar schönsten, aber auch überlaufensten Teil im Zentrum des Parks. Diesmal wollen wir in die nördlichen Teile und betreten ihn von der Subway Station Museum of Natural History aus. Hätten wir auf so etwas Appetit gehabt, hätten wir an einem gegenüber dem Museum stehenden Imbisswagen einen Dinosaur Burger erstehen können. Das nördliche Parkdrittel wird vom Jacqueline Kennedy-Onassis Reservoir dominiert, einem riesigen Wasserbecken, das vom Ost- bis zum Westrand reicht und recht öde aussieht, weil hier wegen des vielen Wassers kein Platz für Grün ist. Um das Becken herum – das übrigens niemals der Wasserversorgung diente, weil New York genügend gutes Trinkwasser aus upstate NY bezieht – erstreckt sich ein Reitweg und ein Joggingpfad, der von vielen Prominenten genutzt wurde – so auch von Jackie Kennedy. Da sie sich stets bürgerschaftlich für die Metropole (sie verhinderte u. A. den Abriss der Grand Central Station) und ganz besonders für den Park eingesetzt hatte, gab man 1994 The Reservoir ihren Namen. Aus gusseisernen Bruchstücken, gefunden auf dem Grund des Beckens, konnte man die Form seines Begrenzungszauns aus der Erbauungszeit rekonstruieren und ihn erneuern. Da auch der Rest des nördlichen Parks mit seinen großen Wiesenflächen mit dem Zentrum nicht mithalten kann, kehren wir reumütig dahin zurück und erfreuen uns am Wald (The Ramble), dem See (The Lake) und dem Schloss (Belvedere Castle).

Der Park ist an diesem schönen Sommerwochentag ziemlich voll, ähnlich dem Berliner Tiergarten an den Wochenenden. Mir fällt auf, dass sich viele zum Mittagessen auf den Parkbänken niederlassen und ihr fast food aus Plastikbehältern löffeln. Die Sauberkeit des Parks ist (wahrscheinlich seit Giulianis broken windows Kampagne) erstaunlich und überall sieht man abgezäunte Bereiche, wo Rasenflächen regeneriert oder neu angelegt werden. Gemäß den Regeln der englischen Landschaftsgärtnerei entstehen an jeder Biegung des Wegs immer wieder neue und überraschende Durchblicke, hier in New York angereichert durch verblüffende Aussichten auf Wolkenkratzer. Im westlichen Central Park ist das San Remo das dominierende Gebäude, ein Luxus-Wohnpalast von 1930 mit zwei barocken Doppeltürmen. Nach dem Parkbesuch wollen wir uns diesen Millionärsghettos widmen. Bei jedem Besuch stellt man immer wieder fest, dass der Park New Yorks Zierde ist, eine völlig durchgestylte, aber dennoch natürlich wirkende Landschaft mit Tälern, felsigen Höhen und Seen, die durch die vielen Denkmäler, Kioske und Pavillons aufgepeppt wird. Am ganz entzückenden gusseisernen Ladies Pavilion mit Blick auf The Lake werden wir Zeuge einer romantischen Geschichte: Ein deutschsprachiges Ehepaar bittet mich, ein Foto von ihnen zu machen und erzählt dabei, dass sie vor 10 Jahren in ebendiesem Gebäude geheiratet haben. Ein Friedensrichter wurde herbestellt und nahm die weltliche Zeremonie nur für sie beide vor, während die kirchliche Trauung und das große Hochzeitsfest in Deutschland stattfanden. Jetzt sind sie aus nostalgischen Gründen an diesen Ort zurückgekehrt und ich darf das Beweisfoto knipsen. Der so romantische Pavillon von 1871 gehört allerdings nicht zur originalen Park-Möblierung von Calvert Vaux, er stand ursprünglich am Eingang und diente ganz profan als Wartehalle für Besucher, die mit dem Bus kamen. Erst 1920 versetzte man ihn an den jetzigen Ort.

Vom Hunger getrieben lassen wir uns bei Mineral Springs, einem Imbiss im Park, nieder und fuchteln mit den Händen so lange nach einer Bedienung, bis uns jemand darüber aufklärt, dass hier der self service Bereich ist. Wir holen uns also von Pain Quotidien ein belegtes Baguette, das trotz des renommierten Herstellers eine gewisse Gummi-Konsistenz aufweist und begeben uns anschließend zu den Mietskasernen für Millionäre am Rand des Parks. Auf dem Weg zum Ausgang passieren wir noch die Strawberry Fields, die Yoko Ono 1985 – an seinem fünften Todestag – zum Gedenken an John Lennon anlegen ließ. Der Musiker, an dessen Song Strawberry Fields Forever der Name der Gedenkstätte erinnert, wäre am Einweihungstag 45 Jahre alt geworden. Im Zentrum der Anlage befindet sich ein kreisförmiges, von der Künstlerin entworfenes und von italienischen Handwerkern in altrömischem Stil ausgeführtes Schwarz-Weiß-Mosaik, in dessen Zentrum der Titel von Lennons berühmten Friedenslied Imagine eingelegt ist. Hier treffen sich auch heute noch jedes Jahr viele Menschen an seinem Todestag. Anlässlich seines 70. Geburtstags wurde eine Bronzeplatte mit den Namen der 121 Staaten in den Boden eingelassen, die 1985 die Idee einer Gedenkstätte im Namen des Friedens unterstützten.

13 Teuflisches im Dakota

Millionärsghettos

Zeitgleich mit dem Central Park entstand auch die ihn umgebende Randbebauung, Villen für begüterte New Yorker an der 5. und 8. Avenue, die den Park als Promenade und zum Ausritt nutzten. Das Museumsgebäude der heutigen Frick-Collection, ursprünglich das Privatpalais von Henry Clay Frick, einem ebenso skrupellosen wie superreichen Kohle- und Stahlmagnaten, gibt heute noch einen Eindruck vom damaligen Lebensstil jener Gesellschaftsschicht. Mit der zunehmenden Verdichtung Manhattans entstand auch in diesem Viertel der Druck, in die Höhe zu bauen. Anstelle der Privatvillen am Rand des Parks plante man nun Apartment-Häuser für die Oberschicht, eine neue Wohnform, die aus England übernommen wurde. Anders als bei gewöhnlichen Mietwohnungen sollten diese Appartements jeden erdenklichen Luxus aufweisen und auch in Größe und Raumhöhe dem entsprechen, gewissermaßen eine Kombination von 5 Sterne Hotel und Privatresidenz.

Der Eigentümer des Nähmaschinenkonzerns Singer war der Erste, der 1880 in ein solches Projekt investierte. Zu dieser Zeit war Uptown New York noch ganz dünn bebaut, so dass Kritiker witzelten, das Gebäude entstünde „draußen bei den Indianern“. Die Investoren nahmen den Scherz auf, nannten den Baukomplex „The Dakota“ und ließen einen großen Indianerkopf im Dachgiebel hoch über dem Eingang einmeißeln. Auf 8 Etagen eines 4-Flügel-Baus, der das ganze Karree zwischen 72. und 73. Straße einnimmt, entstanden 65 Apartments, einige bis zu 300 m2 groß. Man dinierte im hauseigenen Speisesaal (der auch zum Ballsaal umfunktioniert werden konnte) oder ließ sich das Essen im Speiseaufzug von der Küche im Souterrain in die Wohnung schicken. Der Architekt, der auch den Plaza-Komplex am südöstlichen Eingang des Central Parks entwarf, wählte für das Dakota englische Renaissance-Formen. Im Innenhof gab es einen Tennisplatz und ein Crocket-Spielfeld, auf dem Dach eine geräumige Terrasse mit Blick über den Central Park. Die Stromversorgung übernahm ein hauseigenes Elektrizitätswerk. Die zahlreichen Bediensteten waren im 9. Geschoss und direkt unter dem Dach untergebracht. Weil jedoch das Projekt nie profitabel betrieben werden konnte, wandelte man es 1960 in ein Eigentümermodell mit co-ops um (eine spezielle Form der Eigentumswohnung mit bindender Satzung für alle Bewohner) und nutzte auch die für die Bediensteten vorgesehenen Flächen zum Bau weiterer Apartments. Heute enthält das Dakota 105 Wohnungen, es ist ein echtes Ghetto für Millionäre, denn mindestens ein solcher muss man sein, um sich hier einkaufen zu können. Die Preise pro Apartment rangieren von 2 bis 21 Mio Dollar, doch nicht jeder, der das zahlen kann, wird auch von der Hausgemeinschaft akzeptiert. So wurden z. B. Cher, Billy Joel und Madonna als Bewerber abgewiesen.

Teuflisches

Als Kulisse für seinen Horrorklassiker „Rosemary’s Baby“ erschien diese location dem Regisseur Roman Polanski als absolut unverzichtbar, obwohl er im Innern – wegen der prominenten Bewohner – gar nicht drehen durfte. So nutzte er das Original nur für Außenaufnahmen und baute die im Film vorkommende Wohnung im Studio nach. Aber um die Grundidee des Films – eine Gruppe von Satanisten holt den Teufel auf die Erde – „überzeugend“ umzusetzen, bedurfte es schon dieses besonderen Ambientes. Der nun einmal herbei beschworene Höllenfürst ließ Polanski nach dem grandiosen Erfolg seines Films keine Ruhe mehr: Zunächst ritt er ihn, als er eine Dreizehnjährige missbrauchte – eine Tat, die seinen Ruhm als Künstler arg beschädigte und ihn in verschiedene Exile nötigte; in die USA kann er wegen Verhaftungsgefahr seitdem nicht mehr zurück. Und dann suchte er ihn auch noch in Gestalt von Charles Manson heim, der eine Gruppe Drogenabhängiger (seine „Familie“) dazu anstiftete, Polanskis schwangere Frau Sharon Tate und einige ihrer Freunde in ihrem Quartier in Kalifornien bestialisch umzubringen. Der „Teufel“ Manson wurde dafür zum Tode verurteilt, aber gleichzeitig die Todesstrafe in Kalifornien für einige Jahre abgeschafft. So blieb dem Täter eine echt lebenslange Freiheitsstrafe; erst vor kurzem ist er – weit über 80jährig – im Gefängnis verstorben.

Aber auch auf dem Gelände des Dakota war der Gottseibeiuns noch weiterhin aktiv: Zu den prominenten Alt-Bewohnern (Leonard Bernstein, Lauren Bacall, die hier 2016 verstarb, Boris Karloff, dem Frankenstein-Darsteller und Rudolf Nurejew) war nach dem Auseinandergehen der Beatles auch John Lennon mit seiner Frau Yoko Ono gestoßen. Von 1973 bis 1980 (nur unterbrochen durch eine kurze Affäre Johns mit Yokos Sekretärin) lebten sie gemeinsam im Dakota, bis Lennon am 8.12.1980 von einem Psychotiker vor dem Eingangsportal erschossen wurde. Der Täter hatte sich von dem Ex-Beatle beim Herausfahren eine Schallplatte signieren lassen, wobei ein Foto gemacht wurde, das letzte von Lennon, das ihn makabrerweise mit seinem späteren Mörder zeigt. Anschließend wartete dieser einige Stunden, bis der Künstler wieder zurück kehrte. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, sich in den Innenhof des Gebäudes chauffieren zu lassen, stieg Lennon bereits draußen aus, wurde von David Chapman aus 6 m Entfernung niedergeschossen und verstarb kurz darauf im Krankenhaus. Chapman wurde zu 20 Jahren bis lebenslänglich verurteilt und sitzt auch heute noch ein, weil sich Yoko Ono einer vorzeitigen Entlassung bislang stets widersetzte. Das Dakota (in dem Yoko Ono nach wie vor lebt) ist durch den Mordfall um eine Attraktion reicher, viele Touristen knipsen die Stelle des Attentats, bis sie von den doormen, die seit dem Vorfall wesentlich wachsamer sind, vertrieben werden. Eindrucksvoll: Das bronzene, künstlerisch gestaltete Wachhäuschen und die beiden riesigen Kandelaber am Eingang, von denen einer gerade von einem Lampenputzer poliert wird, als ich mein Foto mache. Das benachbarte San Remo von 1930 mit seiner markanten Doppelturmfassade dient denselben Zwecken wie das Dakota, ist auch genauso teuer, beherbergt aber aktuellere Prominente: Steven Spielberg, Dustin Hoffmann, Bono und Bruce Willis; Madonna jedoch handelte sich hier ebenfalls eine Abfuhr ein.

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