New York im Kaleidoskop

Inhalt

25 Tycoons – Henry Clay Frick

Große Gebieter

Die zweite Hälfte des 19. Jh. war in Nordamerika die Zeit der Tycoons, deren Name sich aus dem Japanischen ableitet, in dem taikun „Großer Gebieter“ bedeutet. Während der rasanten Industrialisierung der USA bürgerte sich diese Bezeichnung für die ersten Großkapitalisten ein, die innovative Firmen gegründet, sehr schnell Monopole gebildet und dann Geschäftsimperien aufgebaut hatten, die sie zu mehrfachen Millionären machten. Sie alle waren ihrer Zeit weit voraus und investierten ihr Geld in Projekte, die die Industrialisierung vorantrieben und von ihr profitierten. Eisen und Stahl waren die Werkstoffe des Zeitalters und im Umfeld von Kauf, Herstellung, Weiterverarbeitung und Verkauf dieser Materialien boten sich unglaubliche Gewinnmöglichkeiten. Andrew Carnegie gelang es große Teile der Stahlindustrie in einem Konzern zusammenzufassen, Henry Clay Frick erkannte die Wichtigkeit der Kohle für die Metallverhüttung und wurde zum Koks-Baron, Cornelius Vanderbilt und J. P. Morgan machten ihren sagenhaften Reichtum mit dem neuen Massentransportmittel, der Eisenbahn, wobei letzterer sein Vermögen durch Bank-, Aktien- und Investmentgeschäfte noch weiter vermehrte. John D. Rockefeller erkannte als erster die Bedeutung des Erdöls als Energieträger der Zukunft, während Henry Ford das Automobil durch Massenproduktion zum Verkehrsmittel des 20. Jahrhunderts machte. Die Genannten hatten (bis auf Henry Ford) alle einen Wohnsitz in New York und trugen mit ihrem Geld zum Aufschwung der Weltmetropole bei, die in diesen Jahren explosionsartig anwuchs. Das wiederum machte sich Johann Jakob Astor zunutze, der seinen durch das Pelzmonopol erworbenen Reichtum mit Immobiliengeschäften vervielfachte. Alle dieser tycoons erbauten sich hochherrschaftliche Wohnsitze rund um den Central Park, aber auch schlossartige Anwesen im Hudson Valley in upstate New York. Sie pflegten einen Lebensstil, der sich an dem englischer Adliger orientierte und waren allesamt Kunstsammler. Als sie das Lebensende und – als gläubige Protestanten – das Jüngste Gericht auf sich zukommen sahen, spendeten viele ihre Kunstwerke dem Metropolitan Museum oder eröffneten ein eigenes und gingen dadurch als Philanthropen in die Geschichte ein, obwohl sie sich während ihres Aufstiegs meist alles andere als menschenfreundlich verhalten hatten.

Lebensstationen eines Raffke

Das gilt in besonderem Maße für Henry Clay Frick (1849 – 1919), Enkel eines reichen Müllers und Whiskyherstellers, ein Mann von wenig formaler Bildung aber mit ausgesprochenem Geschäftssinn. Wie anderen Unternehmern auch war ihm die Bedeutung des Stahls für die rasante Entwicklung der Industrialisierung schon früh klar geworden, aber im Gegensatz zu seinen Konkurrenten konzentrierte er die eigenen geschäftlichen Aktivitäten auf die Kohle, die ja für die Herstellung von Stahl unabdingbar war. Mit Freunden zusammen konstruierte er einen Ofen, in dem aus Steinkohle Koks gewonnen wurde, ein für die Stahlherstellung wesentlich besser geeigneter Brennstoff als Kohle. Sobald die gemeinsame Neuentwicklung anfing Geld abzuwerfen, offenbarte sich sein wahrer Charakter und er zeigte die Raffgier, die in seinem gesamten weiteren Leben für ihn kennzeichnend bleiben sollte: Mit dem verdienten Geld kaufte er als erstes seine Freunde aus dem gemeinsamen Geschäft heraus und betrieb es fortan als alleiniger Eigentümer. Mithilfe der finanziellen Unterstützung des Freundes seiner Familie, des Millionärs Thomas Mellon, begann er im Alter von 22 Jahren Kohlebergwerke aufzukaufen. Während der finanziellen Panik von 1873 konnte er für einen Spottpreis zusätzlich noch die Betriebe seiner direkten Konkurrenten erwerben und als sich die Wirtschaft Anfang der 1880er Jahre wieder erholt hatte, war er Multimillionär, der auf 40.000 Hektar unzählige Kohlegruben betrieb, deren Ertrag in 12.000 Koksöfen verarbeitet wurde. 1882 machte er einen Deal mit dem Stahlmagnaten Andrew Carnegie, bei dem dieser eine Mehrheitsbeteiligung an der Frick Coke Company und Frick eine Minderheitsbeteiligung an Carnegies Steel Company erhielt. Von Anfang an arbeitete Frick jedoch daran, dieses Mehrheitsverhältnis zu seinen Gunsten zu drehen. 1889 hatte er endlich erreicht, dass Carnegie in den Ruhestand ging und er selbst Vorsitzender von Carnegie Steel wurde; unter seiner Leitung wuchs es zum weltweit größten Koks- und Stahlunternehmen heran.

Johnstown Flood

Seine exorbitanten Gewinne investierte Frick auch in Immobiliengeschäfte. So war er der Hauptinvestor einer Gruppe, die ein privates Urlaubsresort für Reiche plante, den South Fork Fishing and Hunting Club in der Nähe von Johnstown, Pennsylvania. Zu dem riesigen Waldgelände in den Bergen gehörte der Lake Conemaugh, ein Stausee, dessen Wasserstand die Investoren anheben ließen um ihn zu vergrößern und an seinem Ufer Ferienhäuser entstehen zu lassen. Für den Bau einer Zufahrtsstraße trugen sie die Krone des Staudamms ab und am Abfluss des Sees wurde ein Gitter angebracht, damit keine Fische entkommen konnten. In die Sicherheit des Damms und für den Unterhalt des Stausees investierte man dagegen nichts und zweifellos lagen hierin die Ursachen für die berüchtigte Johnstown-Flut am 31. Mai 1899. Nach tagelangen heftigen Regenfällen verstopften Äste und Unrat das Abflussgitter, wodurch der See weiter aufgestaut und der Damm unter der Belastung rissig wurde. Schließlich brach er in sich zusammen und Millionen Tonnen von Wasser, Schlamm und Geröll wälzten sich durchs Tal, verwüsteten Johnstown und töteten 2.200 Menschen. Frick verbot jegliche Kommentare der Gesellschafter (insbesondere solche betreffs einer Verantwortung für die Katastrophe) und engagierte die besten Rechtsanwälte. Die Gemeinde verklagte den South Fork Fishing and Hunting Club auf Schadenersatz, doch durch die Intervention der Frickschen Juristen kam es zur Einstufung des Dammbruchs als höhere Gewalt (act of God!). Dieser Skandal führte später zur Änderung des amerikanischen Haftungsrechts, wovon die aktuell Betroffenen aber nichts hatten und Frick, dessen persönliches Vermögen damals auf 12 Millionen Dollar geschätzt wurde, die Gelegenheit gab, sich als Philanthrop zu gerieren, indem er „persönlich“ Tausende von Dollars für Hilfsmaßnahmen spendete.

Feldzug gegen Arbeiter

Am abstoßendsten war Fricks Haltung gegenüber seinen Arbeitern und den Gewerkschaften. Er sah sich selbst im Wortsinn als „Arbeitgeber“, wofür die Arbeitnehmer dankbar zu sein hatten und vor allem seine Konditionen akzeptieren mussten. Exzessiv praktizierte er das „hire and fire“ Prinzip und die Bedingungen, unter denen seine Beschäftigten arbeiten mussten, waren ihm egal. Mit dem Mammoth Mine Desaster und dem Morewood Massacre geriet sein Konzern 1891 gleich zwei Mal in die Schlagzeilen. Die Kohlestaub-Explosion in der gerade von Frick erworbenen Kohlegrube kostete über 100 Arbeiter das Leben und gab Anlass für ausgiebige Diskussionen über Arbeitsschutz in den USA, ein Thema, das in Fricks Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle spielte. Beim Morewood Massacre schoss die Polizei in eine Gruppe Streikender der Frick-Kokerei und tötete neun Arbeiter.

Doch erst beim Homestead Strike 1892 trat Frick als eiskalter Manchester-Kapitalist ins Licht der Öffentlichkeit. Aufgrund fallender Profitraten senkte er einseitig die Löhne seiner Beschäftigten um mehr als 20% und weigerte sich mit Gewerkschaftsvertretern, deren Existenzberechtigung er grundsätzlich bestritt, überhaupt zu verhandeln. Den Streik der Stahlarbeitergewerkschaft in seiner Fabrik in Homestead, Pennsylvania beantwortete er mit der Aussperrung der Streikenden und der Einstellung von Streikbrechern. Daraufhin besetzten Gewerkschafter das Fabrikgelände und zur Beendigung der Besetzung engagierte Frick Hunderte von Agenten der privaten Detektivagentur Pinkerton, die mit äußerster Brutalität gegen die Arbeiter vorgingen. Die bewaffneten Pinkertons provozierten Kämpfe und Schlägereien, bei denen mindestens zehn Personen getötet und Dutzende schwer verletzt wurden. Das amerikaweite Aufsehen über die Unruhen sorgte schließlich dafür, dass die Stadt unter Kriegsrecht gestellt wurde. Auf dem Höhepunkt des Skandals drang der Anarchist Alexander Berkman in Fricks Büro ein, feuerte drei Schüsse auf ihn ab und versuchte obendrein ihn mit einem vergifteten Messer zu erstechen. Nur durch das beherzte Eingreifen des im Büro anwesenden Vizepräsidenten von Carnegie Steel konnte der Attentäter gestoppt und festgenommen werden. Der Legende nach blieb Frick bis zum Ende seines Arbeitstages am Schreibtisch sitzen, während dessen Ärzte die Kugeln entfernten und der Patient jegliche Anästhesie verweigerte. Das Attentat auf den Industriellen bewirkte einen öffentlichen Meinungsumschwung über den Arbeitskampf in Homestead zuungunsten der Gewerkschaft und diese gab ihre Zielsetzung auf. Nicht jedoch Frick: Er sorgte dafür, dass alle Streikenden entlassen wurden und die anderen die Lohnsenkungen hinnehmen mussten. Auch dem Vizepräsidenten Leishman dankte er die Rettung seines Lebens schlecht, denn nachdem dieser Fricks Nachfolger geworden war, nutzte der seine politischen Beziehungen um ihn als US-Botschafter nach Frankreich wegzuloben.

Nach einem Streit mit Carnegie im Jahr 1899 wurde Frick durch Charles M. Schwab als Chairman der Carnegie Steel ersetzt. Das Unternehmen Carnegie und Frick fusionierte daraufhin mit J. Pierpont Morgans Federal Steel Co. und acht weiteren Konkurrenten zur US Steel Corporation. Aufgrund vertraglicher Klauseln musste Frick seine eigene Beteiligung für 15 Millionen Dollar veräußern. Das machte ihn zwar noch reicher, doch hegte er seitdem einen abgrundtiefen Groll auf Carnegie. Als dieser in seinen letzten Lebensmonaten um ein Aussöhnungstreffen nachsuchte, lehnte er dieses mit den Worten ab: „I will see him in hell, where we are both going“. (Ich werde ihn in der Hölle treffen, wohin wir beide gehen werden.)

Der zwiespältige Kunsttempel

1905 verlagerte der Magnat seine geschäftlichen Aktivitäten nach New York und mietete die Villa von William H. Vanderbilt an der Fifth Avenue. Doch schon bald fasste er den Entschluss sich in derselben Gegend ein eigenes Haus zu errichten. Zu diesem Zweck kaufte er an der Ecke 70th Street / 5th Avenue das Grundstück der Lenox Library, die mit anderen Bibliotheken zur neuen New York Public Library vereinigt werden und in ein neues Gebäude am Bryant Park umziehen sollte. Bis es so weit war, vergingen allerdings noch einige Jahre, aber 1912 konnte er endlich das (übrigens: architektonisch wertvolle) Bibliotheksgebäude abreißen lassen und mit dem Neubau seines Palais beginnen. Auf einem Europabesuch hatte er die Kunstsammlung von Richard Wallace in dessen Wohnhaus in London gesehen und sehr bewundert. Er beschloss seine eigenen hochkarätigen Kunstwerke (im Laufe seines Lebens genauso zusammengerafft wie die Industriebeteiligungen) auf ähnliche Weise in seinem Neubau am Central Park auszustellen. Im Gegensatz zu Wallace, der seine Schätze als Wallace Collection der Öffentlichkeit zugänglich machte, diente Fricks elitäre Präsentation europäischer Meisterwerke von der Renaissance bis zum Impressionismus einzig und allein ihm selbst. Erst 1919, auf dem Sterbebett, verfügte er die Umwandlung seines Hauses in ein Museum, was aber von seiner Frau hintertrieben wurde, weil sie weiterhin dort wohnen wollte.

So konnte Fricks letzter Wille erst nach ihrem Tod 1931 umgesetzt werden und man fügte dem Palais zwei Ausstellungsräume, einen Konzert- und Vortragssaal sowie ein Atrium hinzu. Außer dem Gebäude hatte der Erblasser noch 15 Mio $ für Ankäufe weiterer Kunstwerke gestiftet, wovon im Laufe der Jahre weitere 75 hochkarätige Bilder angeschafft wurden. Die bedeutenden Kunstwerke und das noble Ambiente machen die Frick Collection zu einer Sehenswürdigkeit ersten Ranges in New York, wäre da nicht der Geist ihres Stifters, der sich neben vielem Anderen in den heute gültigen Benutzungsregeln für das Museum manifestiert: Kinder unter 10 Jahren haben keinen Zutritt (was meine fast zehnjährige, aber sehr kunstinteressierte Enkelin heftig beklagte), Fricks Gemälde dürfen das Haus nicht verlassen und Eintrittspreise von 22 $ halten Minderbemittelte fern. (Das so genannte freiwillige Eintrittsgeld, bei dem man den Preis selbst bestimmen kann, gilt sonntags nur von 11 – 13 Uhr). Neben den neu errichteten Sälen dienen die ehemaligen Repräsentationsräume der Familie Frick im Erdgeschoss als Ausstellungsfläche. Sie sind mit unschönen, schweren britischen Möbeln ausgestattet, die aber niedrig gehalten sind um ausreichend Platz für die Bilder an den Wänden zu bieten. Inmitten von Gemälden von Holbein, Tizian und El Greco hängt ein Gemälde von Frick und seiner Frau, das ihn als würdigen, älteren Herrn zeigt, dem man die Schandtaten seines Lebens gar nicht zutrauen mag. Man muss schon auf die Fotografien aus seinen jungen Jahren zurückgreifen um den Zusammenhang von Physiognomie und Charakter nachzuvollziehen.

Für eine Privatsammlung beherbergt die Frick Collection Erstaunliches, neben den genannten Großmeistern allein drei Bilder von Vermeer, dazu weitere niederländische Meister wie Frans Hals, Rembrandt, Rubens und van Dyck. Bei den Spaniern kommen zu El Greco noch Goya und Velazquez hinzu. Alle bedeutenden Engländer sind hier ausgestellt, von Gainsborough, Reynolds, Raeburn bis Constable und Turner. Die französische Rokokomalerei, für die Frick ein besonderes faible hatte, ist durch Boucher und Fragonard (letzterer durch eine Gruppe bemalter Holzpaneele aus einem französischen Schloss) sowie Antoine Watteau und Claude Lorrain hervorragend vertreten. Aber auch die französischen Impressionisten dürfen nicht fehlen, die es in New York ja auch noch im MoMA und im Metropolitan Museum of Art in überbordender Fülle gibt. Grundstock der Frickschen Sammlung waren Bilder aus der italienischen Renaissance von der Bellini-Familie, Bronzino, Cimabue, Duccio, Fra Filippo Lippi, Tizian und Paolo Veronese aber auch späterer Künstler wie Tiepolo und Guardi. Französische Möbel des 18. Jahrhunderts, Emaillearbeiten aus Limoges und die Sammlung Meißener Porzellans (zusammengetragen von Henry H. Arnhold, einem aus Deutschland vertriebenen Dresdner Bankier), sowie diverse Skulpturen ergänzen die Frick Collection, die Vorbild für viele Stiftungen reicher Bürger in den Vereinigten Staaten wurde, wie beispielsweise das Kimbell Art Museum im texanischen Fort Worth oder die Kunststiftung von Andrew Mellon, Fricks Förderer, der seine Kunstsammlung in eine Stiftung einbrachte und den Bau der National Gallery in Washington, D.C. finanzierte. Frick selbst wurde aber seinen schlechten Ruf auch posthum nicht los (außer in der biografischen Präsentation seines eigenen Hauses): Noch 2009 stufte ihn das Internet-Magazin Portfolio als Nummer 11 unter den 20 schlechtesten Unternehmern aller Zeiten ein.

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