New York im Kaleidoskop

13 Teuflisches im Dakota Building

Millionärsghettos

Zeitgleich mit dem Central Park entstand auch die ihn umgebende Randbebauung, Villen für begüterte New Yorker an der 5. und 8. Avenue, die den Park als Promenade und zum Ausritt nutzten. Das Museumsgebäude der heutigen Frick-Collection, ursprünglich das Privatpalais von Henry Clay Frick, einem ebenso skrupellosen wie superreichen Kohle- und Stahlmagnaten, gibt heute noch einen Eindruck vom damaligen Lebensstil jener Gesellschaftsschicht. Mit der zunehmenden Verdichtung Manhattans entstand auch in diesem Viertel der Druck, in die Höhe zu bauen. Anstelle der Privatvillen am Rand des Parks plante man nun Apartment-Häuser für die Oberschicht, eine neue Wohnform, die aus England übernommen wurde. Anders als bei gewöhnlichen Mietwohnungen sollten diese Appartements jeden erdenklichen Luxus aufweisen und auch in Größe und Raumhöhe dem entsprechen, gewissermaßen eine Kombination von 5 Sterne Hotel und Privatresidenz.

Der Eigentümer des Nähmaschinenkonzerns Singer war der Erste, der 1880 in ein solches Projekt investierte. Zu dieser Zeit war Uptown New York noch ganz dünn bebaut, so dass Kritiker witzelten, das Gebäude entstünde „draußen bei den Indianern“. Die Investoren nahmen den Scherz auf, nannten den Baukomplex „The Dakota“ und ließen einen großen Indianerkopf im Dachgiebel hoch über dem Eingang einmeißeln. Auf 8 Etagen eines 4-Flügel-Baus, der das ganze Karree zwischen 72. und 73. Straße einnimmt, entstanden 65 Apartments, einige bis zu 300 m2 groß. Man dinierte im hauseigenen Speisesaal (der auch zum Ballsaal umfunktioniert werden konnte) oder ließ sich das Essen im Speiseaufzug von der Küche im Souterrain in die Wohnung schicken. Der Architekt, der auch den Plaza-Komplex am südöstlichen Eingang des Central Parks entwarf, wählte für das Dakota englische Renaissance-Formen. Im Innenhof gab es einen Tennisplatz und ein Crocket-Spielfeld, auf dem Dach eine geräumige Terrasse mit Blick über den Central Park. Die Stromversorgung übernahm ein hauseigenes Elektrizitätswerk. Die zahlreichen Bediensteten waren im 9. Geschoss und direkt unter dem Dach untergebracht. Weil jedoch das Projekt nie profitabel betrieben werden konnte, wandelte man es 1960 in ein Eigentümermodell mit co-ops um (eine spezielle Form der Eigentumswohnung mit bindender Satzung für alle Bewohner) und nutzte auch die für die Bediensteten vorgesehenen Flächen zum Bau weiterer Apartments. Heute enthält das Dakota 105 Wohnungen, es ist ein echtes Ghetto für Millionäre, denn mindestens ein solcher muss man sein, um sich hier einkaufen zu können. Die Preise pro Apartment rangieren von 2 bis 21 Mio Dollar, doch nicht jeder, der das zahlen kann, wird auch von der Hausgemeinschaft akzeptiert. So wurden z. B. Cher, Billy Joel und Madonna als Bewerber abgewiesen.

Teuflisches

Als Kulisse für seinen Horrorklassiker „Rosemary’s Baby“ erschien diese location dem Regisseur Roman Polanski als absolut unverzichtbar, obwohl er im Innern – wegen der prominenten Bewohner – gar nicht drehen durfte. So nutzte er das Original nur für Außenaufnahmen und baute die in Film vorkommende Wohnung im Studio nach. Aber um die Grundidee des Films – eine Gruppe von Satanisten holt den Teufel auf die Erde – „überzeugend“ umzusetzen, bedurfte es schon dieses besonderen Ambientes. Der nun einmal herbei beschworene Höllenfürst ließ Polanski nach dem grandiosen Erfolg seines Films keine Ruhe mehr: Zunächst ritt er ihn, als er eine Dreizehnjährige missbrauchte – eine Tat, die seinen Ruhm als Künstler arg beschädigte und ihn in verschiedene Exile nötigte; in die USA kann er wegen Verhaftungsgefahr seitdem nicht mehr zurück. Und dann suchte er ihn auch noch in Gestalt von Charles Manson heim, der eine Gruppe Drogenabhängiger (seine „Familie“) dazu anstiftete, Polanskis schwangere Frau Sharon Tate und einige ihrer Freunde in ihrem Quartier in Kalifornien bestialisch umzubringen. Der „Teufel“ Manson wurde dafür zum Tode verurteilt, aber gleichzeitig die Todesstrafe in Kalifornien für einige Jahre abgeschafft. So blieb dem Täter eine echt lebenslange Freiheitsstrafe; erst vor kurzem ist er – weit über 80jährig – im Gefängnis verstorben.

Aber auch auf dem Gelände des Dakota war der Gottseibeiuns noch weiterhin aktiv: Zu den prominenten Alt-Bewohnern (Leonard Bernstein, Lauren Bacall, die hier 2016 verstarb, Boris Karloff, dem Frankenstein-Darsteller und Rudolf Nurejew) war nach dem Auseinandergehen der Beatles auch John Lennon mit seiner Frau Yoko Ono gestoßen. Von 1973 bis 1980 (nur unterbrochen durch eine kurze Affäre Johns mit Yokos Sekretärin) lebten sie gemeinsam im Dakota, bis Lennon am 8.12.1980 von einem Psychotiker vor dem Eingangsportal erschossen wurde. Der Täter hatte sich von dem Ex-Beatle beim Herausfahren eine Schallplatte signieren lassen wobei ein Foto gemacht wurde, das letzte von Lennon, das ihn makabrerweise mit seinem späteren Mörder zeigt. Anschließend wartete dieser einige Stunden, bis der Künstler wieder zurück kehrte. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, sich in den Innenhof des Gebäudes chauffieren zu lassen, stieg Lennon bereits draußen aus, wurde von David Chapman aus 6 m Entfernung niedergeschossen und verstarb kurz darauf im Krankenhaus. Chapman wurde zu 20 Jahren bis lebenslänglich verurteilt und sitzt auch heute noch ein, weil sich Yoko Ono einer vorzeitigen Entlassung bislang stets widersetzt hat. Das Dakota (in dem Yoko Ono nach wie vor lebt) ist durch den Mordfall um eine Attraktion reicher, viele Touristen knipsen die Stelle des Attentats, bis sie von den doormen, die seit dem Vorfall wesentlich wachsamer sind, vertrieben werden. Eindrucksvoll: Das bronzene, künstlerisch gestaltete Wachhäuschen und die beiden riesigen Kandelaber am Eingang, von denen einer gerade von einem Lampenputzer poliert wird, als ich mein Foto mache. Das benachbarte San Remo von 1930 mit seiner markanten Doppelturmfassade dient denselben Zwecken wie das Dakota, ist auch genauso teuer, beherbergt aber aktuellere Prominente: Steven Spielberg, Dustin Hoffmann, Bono und Bruce Willis; Madonna jedoch handelte sich hier ebenfalls eine Abfuhr ein.

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