New York im Kaleidoskop

Inhalt

3 Boroughs, Community Districts, Neighborhoods

Wie New York verwaltet und regiert wird

Ich finde, zum besseren Verständnis einer großen Stadt gehört auf jeden Fall die Kenntnis ihres Regierungs- und Verwaltungssystems; viele ihrer Besonderheiten (und das trifft speziell auf New York zu) erklären sich überhaupt erst daraus. Allerdings ist das System wegen seiner Komplexität ziemlich schwer zu verstehen, denn es erwuchs aus einer sehr langen demokratischen Tradition und verkomplizierte sich immer weiter: Schon zu Zeiten von Nieuw Amsterdam wählte die Bevölkerung einen Stadtrat, der das Budgetrecht hatte und den von den Niederlanden eingesetzten Gouverneur beraten und kontrollieren sollte. Dieser Legislative stand eine starke Exekutive in Person des Gouverneurs gegenüber. Genauso ist das Kräfteverhältnis auch heute noch, mit dem New York City Council als Legislative und dem Mayor of New York als vergleichbar starker Exekutive, nur dass dieser nicht wie damals von der Staatsregierung eingesetzt, sondern von der Einwohnerschaft auf 4 Jahre gewählt wird (z.Zt. ist eine einmalige Wiederwahl zulässig).

Legislative

Das New York City Council (NYCC) stellt die Legislative dar, es verabschiedet die Gesetze der Stadt, kontrolliert den Bürgermeister und dessen Verwaltung und wirkt bei der Ernennung von städtischen Beamten mit. Es besteht aus 51 Mitgliedern, die als Mehrheitskandidaten in ebenso vielen Wahlkreisen für eine vierjährige Amtszeit gewählt werden. Traditionell wählt New York demokratisch, aktuell (2021) besteht der Rat aus 46 Demokraten und 5 Republikanern. Den Ratsvorsitz übernimmt der von der Mehrheit bestimmte Speaker. Im Council werden ständige Ausschüsse und Unterausschüsse gebildet (z. Zt. 35), die sich mit Sozialem, Infrastruktur und Regierungsangelegenheiten befassen sowie zukünftige Themen vorschlagen. Um Themen und Anliegen bestimmter Bevölkerungsgruppen einzubringen und in deren Sinne gesetzgeberisch tätig zu sein, können sich die Ratsmitglieder zu parlamentarischen Interessengruppen (caucus) zusammenschließen. So gibt es den Black, Latino and Asian (BLA) Caucus, den Progressive Caucus, den Women’s Caucus, den Jewish Caucus, den LGBT (lesbian, gay, bi, transgender) Caucus und den Irish Caucus, deren Namen gleichzeitig eine aufschlussreiche Themenliste der Probleme von New York darstellen. Die Ratsmitglieder sind Berufspolitiker mit Bezügen von ca. 150.000 Dollar im Jahr. Das NYCC tagt in der New York City Hall in Manhattan, dem schönen Gebäude von 1812, das wir auf dem Spaziergang durch Alt New York gesehen haben.

Exekutive

Der Mayor of New York ist der Chef der Verwaltung, ihm unterstehen mehr als 50 Departments oder City Agencies, deren Leiter von ihm ernannt werden. Außerdem ernennt er mehrere Deputy Mayors, die die Leitung besonders wichtiger Departments übernehmen, die gewissermaßen die Fachressorts darstellen, vergleichbar den Senatsverwaltungen in Berlin und Hamburg, aber ohne die Entscheidungsgewalt eines Senators, da diese komplett beim Mayor of New York liegt. Während der Bürgermeister seinen Amtssitz in der City Hall hat, sind die City Agencies im Municipal Building, jenem gigantischen weißen Gebäudekomplex nördlich des Rathauses untergebracht. Trotz der traditionell demokratisch eingestellten Wählerschaft New Yorks gab es auch republikanische Bürgermeister, da dieser in direkter Wahl ermittelt wird. Der bekannteste Republikaner der letzten Jahre war Rudy Giuliani, auf den ich im Zusammenhang mit bekannten New Yorker Politikern noch zu sprechen komme.

Boroughs

Die Verwaltungsgliederung von New York City existiert auf zwei Ebenen, zur oben beschriebenen politischen Ebene kommt noch eine geographisch/plebiszitäre hinzu. Allerdings ist diese zweite Ebene keine Konkurrenz zum Mayor und dem City Council, sondern dient in erster Linie der verbesserten Mitsprache der Bürger. Als sich 1898 Manhattan und die umliegenden Städte zu einem „Greater New York“ zusammenschlossen, wurde dieses geographisch in fünf Boroughs („Stadtbezirke“) unterteilt, die gleichzeitig fünf Countys („Landkreisen“) des Bundesstaates New York entsprechen:

Manhattan (New York County), Brooklyn (Kings County), Queens (Queens County), The Bronx (Bronx County) und Staten Island (Richmond County). Das neu geschaffene Gesamtgebilde firmiert seitdem unter dem Namen New York City.

Jeder Borough hat einen Borough President, der in Brooklyn, Queens und Staten Island in einer Borough Hall residiert, während der von Manhattan im Municipal Building und der von The Bronx im Bronx County Court House angesiedelt ist. Borough Presidents und Borough Halls dürfen nicht mit Bürgermeistern und Rathäusern in Europa gleichgesetzt werden, weil sie kaum exekutive und legislative Funktionen besitzen.

Die Namen der einzelnen Boroughs haben eine interessante Etymologie: Manhattan leitet sich, wie im vorigen Kapitel geschildert, vom Namen der Lenape-Indianer für die Insel im Hudson River her: Manna Hatta, was „hügeliges Land“ bedeutet. Brooklyn bewahrt seinen Namen aus der Zeit der ersten niederländischen Siedler, die aus Breukelen in der Provinz Utrecht kamen und ihrer Neugründung denselben Namen gaben. Queens (und auch der County Name für Brooklyn = King’s County) stammt aus der Zeit, als die Engländer die Niederländer ablösten und alles Land als Besitz der englischen Krone ansahen. The Bronx kommt vom Familiennamen Bronck, eines dänischen oder schwedischen Siedlers, der nördlich von Manhattan ein landwirtschaftliches Gut betrieb, Bronck’s Farm. Staten Island trägt jetzt wieder seinen alten Namen, der einst aussagte, dass die Insel im Besitz der staaten generaal, des niederländischen Parlaments, war. Unter den Engländern benannte man sie stattdessen in Richmond um, nach dem Duke of Richmond, einem (illegitimen) Sohn König Karls II.

Community Districts

Die Boroughs gliedern sich in insgesamt 59 Community Districts (CD), rein verwaltungstechnische Einheiten, die in jedem Borough durchnummeriert sind und für ihre Bewohner keine Identität bieten, da sie sich nur über die in ihnen befindlichen Neighborhoods (s.u.) definieren. In jedem CD gibt es ein Community Board mit bis zu 50 ernannten Mitgliedern, die Bewohner des CD sein müssen und als erste Anlaufstelle für Bürgerbeschwerden und zur Mitsprache bei Planungsvorhaben dienen. Um das Ganze noch komplizierter zu machen, werden die Grenzen der Community Districts oft von den Zuständigkeitsbereichen anderer städtischer Behörden, wie z. B. den Amtsbezirken von Feuerwehr und Polizei (precincts) und den Schulbezirken (school districts) überlappt.

Neighborhoods

Die Community Districts wiederum bestehen aus unzähligen Neighborhoods, die keine offiziellen Verwaltungseinheiten sind, sondern sich im Verlauf der Geschichte als Wohnviertel mit eigener Identität entwickelt haben. Diese ist geprägt durch eine bestimmte ethnische Zusammensetzung oder einen relativ einheitlichen architektonischen Stil des Viertels, manche gehen auf historische Ortschaften zurück, wie z.B. das heutige Bushwick auf das 1661 von holländischen Siedlern gegründete Boswijck, andere auf Gründungen von Immobilienspekulanten, wie Brownsville auf Charles S. Brown, der um 1885 dort 250 Häuser errichtete. Wieder andere beziehen sich auf historische Einwanderergruppen, wie z. B. Little Italy und Chinatown. Einige kuriose Namen sind Erfindungen der Immobilienbranche zur besseren Vermarktung einer Gegend, wie SoHo/NoHo (South/North of Houston Street), Nolita (North of Little Italy), Tribeca (Triangle below Canal Street) oder das dusselige Dumbo (Down under Manhattan Bridge Overpass), bei dem der „Overpass“ nur eingefügt wurde, damit das gentrifizierte Viertel nicht Dumb (dumm) heißt. Diese Kürzel sollten ursprünglich die Lokalisierung der zum Verkauf stehenden Immobilien erleichtern, wurden aber ganz schnell allgemein akzeptiert und sind jetzt als quasi offizielle Namen in die Stadtpläne aufgenommen. Am besten kann man die Neighborhoods mit den Kiezen in Berlin vergleichen. Die New Yorker sehen sich gern als „City of Neighborhoods“, was der gängigen Vorstellung von ihrer Stadt als Moloch entgegenwirken soll, dem Götzen, dem in dieser unüberschaubaren Zusammenballung von Menschen beständig Opfer gebracht werden.

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